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Weser-Kurier: Zum Bundesverfassungsgerichts-Urteil über Absprachen vor Gericht schreibt der Bremer WESER-KURIER:

Bremen (ots)

Oberstes Ziel eines Strafprozesses vor deutschen Gerichten ist die Wahrheitsfindung. Das klingt zwar nach einer Binsenweisheit - doch Richter, Staatsanwälte und Verteidiger missachten diesen Grundsatz so häufig, dass das Bundesverfassungsgericht sich gestern zum Einschreiten genötigt sah. Denn was die Karlsruher Richter zum Gesetz über die "Verständigung zwischen Gericht und Verfahrensbeteiligten" verkündet haben, sieht nur auf den ersten Blick aus wie eine Bestätigung der sogenannten Deals nach dem Motto "Biete Geständnis gegen mildes Urteil". In Wahrheit haben die Verfassungshüter ihren Berufskollegen ein vernichtendes Urteil ausgestellt. Während sie das Gesetz nämlich im Grundsatz für in Ordnung befanden, rügten sie dessen Umsetzung in sämtlichen Instanzen vom Amtsgericht bis hinauf zum Bundesgerichtshof: Da gibt's noch vor Prozessbeginn Absprachen zwischen Ankläger, Verteidiger und Richter; da wird in Verhandlungspausen in Richterzimmern gefeilscht um die richtige Formulierung von Geständnissen, die Reue ausdrücken sollen und dem Gericht dadurch zusätzliche Strafnachlässe ermöglichen. Und die einen Fall schnell zu den Akten wandern lassen. Was die deutsche Rechtspflege jahrelang praktiziert hat, ist aber schlichtweg illegal - und eines Rechtsstaats unwürdig. Gerichtspräsident Andreas Voßkuhle übernahm gestern gar die Rolle eines Nachhilfelehrers, als er feststellte: "Das Recht muss die Praxis bestimmen - und nicht die Praxis das Recht." Gleichwohl ist das Urteil aber nicht nur beschämend für die Justiz, sondern auch für die Politik: Sie hat durch das Ausdünnen von Stellenplänen bei Gerichten und Staatsanwaltschaften die Justiz anfällig werden lassen für Deals, die eine Abkürzung von Prozessen versprechen. So erinnerte Voßkuhle daran, dass die Politik die Pflicht zur Überwachung habe und "geeignete Maßnahmen" ergreifen müsse, sofern sich in der Justiz "Fehlentwicklungen" häufen. Damit ist klar: Das Verfassungsgericht hat sowohl die Justiz als auch die Justizminister von Bund und Ländern unter Bewährung gestellt.

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