Alle Storys
Folgen
Keine Story von Börsen-Zeitung mehr verpassen.

Börsen-Zeitung

Börsen-Zeitung: Verwirrende Ermittlungen, Kommentar von Michael Flämig zur Rolle der Ermittler in der Siemens-Finanzaffäre

Frankfurt (ots)

Die Siemens-Finanzaffäre beschäftigt die
Republik. Es geht um aufregende Vorwürfe, riesige Beträge und 
berühmte Namen. Alle Ingredienzien für einen Krimi rund um das Thema 
"Moral und Geschäft" sind vorhanden. In der Aufregung gerät 
allerdings die Faktenlage allzu leicht aus dem Blick. Tatsache ist: 
Die öffentlichen Kenntnisse sind überschaubar.
Was wissen wir? Nur drei wesentliche Informationen dürfen als 
gesichert gelten. Erstens kassierten zweifelhafte Berater 
Millionenbeträge, zweitens veranlasste der Bereich Com diese 
Zahlungen und drittens wurde ein halbes Dutzend Menschen verhaftet. 
Das ist monströs genug. Doch es gilt festzuhalten: Das war's. Es gibt
keine Anklage und nicht einmal eine umfassende Darstellung der 
Ermittler.
Diese Ausgangslage kontrastiert mit der Bereitschaft, einzelnen 
Managern die Verantwortung zuzuweisen. Ob Wirtschaftsminister oder 
Kneipenwirt, jeder hat sich sein Urteil gebildet. In der breiten 
Masse sind es Verurteilungen. Woher stammt diese Urteilsfähigkeit?
Verständlicherweise übersteigt es das Vorstellungsvermögen, dass 
derartige Summen ohne Wissen der Führung geflossen sein könnten. Doch
Intuition kann nicht Basis für Urteile sein. Die öffentliche 
Wahrnehmung ist auch durch Aussagen aus Vernehmungen geprägt, die in 
den Medien landen. Die Ermittler sind unwillens oder nicht in der 
Lage, den andauernden Informationsfluss zu stoppen. Es existiert eine
Kultur der Weitergabe von Befragungsergebnissen.
Nun also wird der ehemalige Siemens-Finanzvorstand "schwer 
beschuldigt", wie zu lesen ist. Von wem eigentlich? Nicht von der 
Staatsanwaltschaft wird Heinz-Joachim Neubürger belastet, sondern 
durch einen Beschuldigten. Dessen Anschuldigung kann richtig sein - 
oder falsch. Welcher Inhaftierte maximiert seine eigene Schuld? Wenn 
es den kolportierten Hinweis eines KPMG-Beschäftigten auf merkwürdige
Zahlungen gegeben hat, könnte es sich bei diesen Überweisungen um 
korrekte Vorgänge gehandelt haben - oder auch nicht.
Ungeachtet ihres Wahrheitsgehalts sind die Anschuldigungen in der 
Welt. Dies ist für die Betroffenen fatal. Aber es ist auch schlecht 
für den Rechtsstaat. Vorverurteilung wird gefördert und die 
Gerechtigkeit geschwächt. Die Ermittler wollen den Fall Siemens in 
den Griff bekommen. Sie müssen auch ihr eigenes System beherrschen 
lernen.
(Börsen-Zeitung, 19.12.2006)

Pressekontakt:

Rückfragen bitte an:
Börsen-Zeitung
Redaktion

Telefon: 069--2732-0

Original-Content von: Börsen-Zeitung, übermittelt durch news aktuell

Weitere Storys: Börsen-Zeitung
Weitere Storys: Börsen-Zeitung