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Börsen-Zeitung: Karlsruhe schafft Klarheit, Kommentar zum EM.TV-Urteil des Bundesgerichtshofes von Walther Becker

Frankfurt (ots)

Selbsternannte Anlegerschutzanwälte jubeln
womöglich zu früh: Der Bundesgerichtshof (BGH) hat ihnen keineswegs
neue Wege für lukrative Mandate eröffnet. Die Karlsruher Richter
haben es geschafft, sowohl den Anlegerschutz zu stärken, als auch zu
verhindern, dass eine Schadenersatzwelle losgetreten werden kann und
sich Emittenten gegen haltlose Vorwürfe wehren müssen. Im Falle des
einstigen Neuer-Markt- Stars EM.TV können Anleger gegen Rückgabe der
mittlerweile im Kurs abgestürzten Papiere den Kaufpreis
zurückverlangen, wenn sie nachweisen, dass sie die Aktien aufgrund
falscher Unternehmensmitteilungen erworben hatten. Und genau auf
dieses Wörtchen „wenn“ kommt es an.
Die Richter müssen nach der Karlsruher Vorgabe prüfen, ob
unrichtige Pflichtmitteilungen ursächlich für Aktienkäufe waren. Wer
sich bloß verspekuliert hat und dafür „Schadenersatz“ verlangt, muss
leer ausgehen. Der Nachweis der Kausalität für den Aktienkauf dürfte
für Kläger im Einzelfall recht schwierig werden. Da kann nicht
pauschal, à la Sammelklage, geurteilt werden, weil die
Anlageentscheidungen nun einmal „individuell geprägte
Willensentschlüsse“ sind. Es bleibt also bei den hohen Hürden, wonach
Anleger sowohl Vorsatz als auch Kausalität der Falschinformation für
ihren Kaufentscheid beweisen müssen.
Mehr Klarheit schafft Karlsruhe auch in der Frage der
Schadenberechnung. Aktionäre müssen sich nicht, wie von der unteren
Instanz angenommen, auf einen kleinen Schadenersatz vertrösten
lassen, der sich aus der Differenz zwischen dem infolge der
Falschmitteilung überhöhten und dem hypothetisch angemessenen Kurs
berechnet. Vielmehr könnten sie grundsätzlich den vollen Preis
zurückfordern. Vorsorglich verweist der BGH darauf, dass sich mit
„Methoden der modernen Finanzwissenschaft“ ein hypothetischer
Transaktionspreis berechnen lasse. Daraus lasse sich eine Grundlage
zur Ermittlung des Vermögensschadens ableiten.
Rechtssicherheit bringt das Urteil in einem weiteren Punkt: Neben
den Vorständen persönlich haftet auch das Unternehmen. Die
zahlreichen neuen Anlegerschutzgesetze, die viel Positives bewirken,
macht das Urteil keinesfalls obsolet. Denn im zugrunde liegenden Fall
geht es um bewusste sittenwidrige Schädigung – und die kannte schon
das 1900 in Kraft getretene Bürgerliche Gesetzbuch.

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