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Börsen-Zeitung: Kommentar zur Klage der Brüsseler EU-Kommission gegen das VW-Gesetz von Claus Döring: Bollwerk Wolfsburg

Frankfurt (ots)

Gibt es denn mit Blick auf den
Volkswagen-Konzern keine wichtigeren Themen als die Klage der
EU-Kommission gegen Deutschland wegen des VW-Gesetzes vor dem
Europäischen Gerichtshof? So oder so ähnlich mag mancher angesichts
der Nachrichtenlage rund um VW spontan denken. Schließlich hat der
Automobilbauer dank Absatzflaute, Überkapazitäten, Kostenproblemen
und der Tarifauseinandersetzung schon genug Belastungen am Hals.
Doch beide Themen haben miteinander zu tun. Das VW-Gesetz sorgt
seit Jahrzehnten dafür, dass der Wind des Kapitalmarktes und damit
des Wettbewerbs in Wolfsburg nur als laues Lüftchen ankommt. Die
Kapitalmarktorientierung beschränkt sich darauf, dem Hauptaktionär
Land Niedersachsen eine Dividende zu verdienen. Und wenn’s mal nicht
so gut läuft, begnügt sich das Land auch mit einer Naturaldividende
in Form betriebswirtschaftlich nicht gerechtfertigter Investitionen
und Arbeitsplatzsicherungen in Niedersachsen. Die damit
einhergehenden Rendite- und Aktienkursverluste müssen die
Streubesitzaktionäre tragen. Nur so ist zu erklären, dass der gesamte
VW-Konzern auf eine Börsenbewertung kommt, die der Hälfte jener von
BMW entspricht. Diese Größenordnung wird von Fachleuten allein schon
der VW-Tochter Audi zugesprochen.
Mit dem VW-Gesetz wird dem Zuchtmeister Kapitalmarkt die Peitsche
aus der Hand genommen. Die Landesbeteiligung von 18% der Stammaktien,
das Höchststimmrecht und das Entsendungsrecht des Landes für zwei
Aufsichtsratsmandate der Kapitalseite bauten Wolfsburg zu einem
Bollwerk aus, hinter dessen Mauern IG Metall, Betriebsrat und das
Land die wahren Herrscher sind. Bei dieser Gemengelage den
Automobilkonzern international wettbewerbsfähig zu halten, ist eine
Aufgabe, die immer schwerer zu erfüllen ist.
Der Auffassung der EU-Kommission, das VW-Gesetz behindere den
freien Kapitalverkehr, haben Land und Bund bisher wenig überzeugende
Argumente entgegenzusetzen. Der Hinweis, dass doch mehr als ein
Drittel des VW-Kapitals bei ausländischen Investoren liege und
ausländische Fonds wie zuletzt Brandes Investment nennenswert
beteiligt seien, zieht nicht. Denn diese Investoren zielen nicht auf
unternehmerischen Einfluss oder gar Verantwortung.
Sorgen, dass dem Fall des VW-Gesetzes gleich der Ausverkauf oder
eine feindliche Übernahme von Volkswagen auf dem Fuß folgen würden,
muss sich niemand machen. Die Rentabilität bei VW ist so lausig, die
Restrukturierungsnotwendigkeiten sind so immens, dass sich eine
Übernahme auf Sicht keiner der Wettbewerber antun wollte, geschweige
denn leisten könnte.
(Börsen-Zeitung, 14.10.2004)
ots-Originaltext: Börsen-Zeitung

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