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Börsen-Zeitung: Hausse mit Tücken Kolumne "Marktplatz" von Christopher Kalbhenn.

Frankfurt (ots)

Wenn die Märkte so weitermachen wie zurzeit,
dann bestehen gute Chancen, dass 2008 als das Jahr der Rohstoffe in 
die Geschichte eingeht. Keine Asset-Klasse kann in diesem Turnus 
bislang mit Öl, Kupfer, Soja&Co. mithalten. In diesen Tagen verstärkt
sich der Auftrieb der Rohwaren auf spektakuläre Weise. Unter Führung 
von Platin und Gold stellen die Edelmetalle einen Rekord nach dem 
anderen auf. Für noch mehr Aufsehen sorgt allerdings der Ölpreis, dem
vor dem Hintergrund der erlahmenden US-Wirtschaft eine fortgesetzte 
Schwächephase, bestenfalls aber Stagnation prophezeit worden war. Zur
Überraschung der Fachleute hat sich das schwarze Gold mit Macht 
zurückgemeldet und ein weiteres Mal die Schwelle von 100 Dollar 
geknackt. Gäbe es da nicht Spielverderber, die ausgerechnet haben, 
dass Öl 1864 schon einmal teurer war, könnte ein Rekord gefeiert 
werden.
Die Rohstoff-Hausse läuft auf allen Zylindern. Auch die ebenfalls 
zyklischen Einflüssen ausgesetzten Industriemetalle überraschen mit 
wieder ansteigenden Preisen. Ungebrochen ist darüber hinaus der 
kräftige Auftrieb bei den Agrarrohstoffen unter Führung von Weizen 
und Soja.
Wohl dem, der auf Rohwaren gesetzt hat. Gemessen am CRB-Index 
sprangen seit Jahresbeginn 11% heraus. Der S&P GSCI-Index erbrachte 
immerhin knapp 8%. Die globalen Aktienmärkte haben dagegen - gemessen
am MSCI World - fast 9% an Wert verloren. Alle großen Segmente im 
Rohstoffbereich liegen im Plus. Selbst der GSCI-Energie-Index ist mit
einem Ertrag von fast 5% wieder in der Pluszone. Die 
GSCI-Sammelindizes für Industriemetalle und Agrarrohstoffe haben 22% 
bzw. 16% eingefahren. Und die Aussichten scheinen gut, dass sich der 
Aufschwung noch fortsetzen wird.
Angebotsknappheiten treffen auf eine insbesondere in Asien sehr 
stark steigende Nachfrage. Hinzu kommt, dass sich zunehmend 
spekulative Marktakteure engagieren und Endinvestoren aus anderen 
Assets wie Aktien in Rohstoffe umschichten. Für den Weizen sagte 
dieser Tage Unicredit voraus, dass sich der Preis bis Ende 2009 
nochmals um 50% verteuern wird.
So schön der Boom für die richtig Investierten auch sein mag, darf
doch nicht übersehen werden, dass die Entwicklung ihre Schattenseiten
hat. Das veranschaulicht eine weitere spektakuläre Meldung dieser 
Tage. Die führenden asiatischen Stahlhersteller haben sich zum 
Auftakt der Verhandlungen der Branche darauf eingelassen, dem 
brasilianischen Lieferanten Vale do Rio Doce ab April sagenhafte 65% 
mehr für Eisenerz zu zahlen. Es ist klar, dass diese Preiserhöhung 
angesichts der gleichfalls überbordenden Nachfrage nach Stahl 
umgehend an die Kunden weitergereicht und letzten Endes auch ihren 
Weg zum Endkonsumenten finden wird.
Kurzum: Als Kehrseite des Rohstoffbooms muss die Hoffnung begraben
werden, dass die Abkühlung in den USA schon bald die Inflationsraten 
drücken wird. Das engt den Spielraum der Notenbanken ein, die Folgen 
der Kreditkrise durch Zinssenkungen zu bekämpfen. Bis vor kurzem war 
die Meinung weit verbreitet, dass die EZB in absehbarer Zeit aufgrund
basisbedingt niedrigerer Jahresinflationsraten eine Zinssenkung wagen
kann. Nun ist in Kommentaren von Volkswirten zu lesen, dass in diesem
Jahr nicht mehr mit einer Zinssenkung der EZB gerechnet werden kann.
Das wird für den Aktienmarkt nicht ohne Folgen bleiben. Der Dax 
wird wahrscheinlich auch in nächster Zeit bestenfalls an der Schwelle
von 7000 schnuppern dürfen. Deutlichere Avancen darüber hinaus 
dürften sich als kurzfristige Abenteuer erweisen. Nicht nur die 
Zinssenkungsfantasie weicht. Die teureren Rohstoffe werden auch den 
Druck auf die Gewinnschätzungen zusätzlich verstärken. Diese sind 
außerdem noch bei weitem zu zuversichtlich. Daher sind 
Abwärtsrevisionen bzw. Ergebnisenttäuschungen absehbar, die neben 
Enttäuschungen über den Zinsausblick als weiteres Risiko für die 
Aktienmärkte hinzu kommen. Nicht zu vergessen die im Finanzsystem 
schlummernden Risiken, die wahrscheinlich noch weitere Irritationen 
auslösen werden. Ob sich die jahrelange Rally fortsetzt und auch 2008
zu einem Jahr der Aktie werden kann, ist vor diesem Hintergrund mit 
einem dicken Fragezeichen zu versehen.
(Börsen-Zeitung, 23.2.2008)

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