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Börsen-Zeitung: Aus der Neuen Welt, Kommentar von Claus Döring in der 100 Seiten umfassenden Jahresschlussausgabe 2007 der Börsen-Zeitung

Frankfurt (ots)

"Aus der Neuen Welt" nannte der tschechische
Komponist Antonin Dvorak seine Sinfonie Nr. 9, in der er meisterhaft 
Inspirationen von Volksweisen aus der "Alten Welt" Europa mit 
Indianermelodien und Spirituals der farbigen Plantagenarbeiter aus 
der "Neuen Welt" Amerika kombinierte. Damals, vor gut 110 Jahren, 
kündigte sich das amerikanische Jahrhundert an. Heute müsste Dvorak 
nach China reisen, um eine Sinfonie "Aus der Neuen Welt" zu 
komponieren. Etwaige Zweifel, dass mit der Jahrtausendwende das 
chinesische Jahrhundert eingeläutet wurde, dürften spätestens im 
zurückliegenden Jahr ausgeräumt worden sein. Volkswirte streiten sich
allenfalls noch über den Zeitpunkt, wann China die USA als 
wirtschaftlich stärkste Nation der Welt abgelöst haben wird. Und wie 
sehr die Weltwirtschaftslokomotive USA schon jetzt von China 
angeschoben werden muss, zeigt sich aktuell (vgl. "Im Bann der 
Finanzkrise", ab Seite 26).
Es war das erste Mal, dass eine Finanzkrise nicht in den 
sogenannten Emerging Markets ihren Ausgang nahm, sondern von einem 
entwickelten Industrieland. Und zum ersten Mal kamen nicht die 
reichen Industrieländer - sei es direkt oder über den Internationalen
Währungsfonds - den Gestrauchelten zu Hilfe, sondern Kapital aus den 
Emerging Markets floss in die USA und stabilisierte die in Schieflage
geratenen Finanzinstitute (vgl. "Die Subprime-Krise und ihre Folgen",
ab Seite 33). Nichts hätte die verschobenen weltwirtschaftlichen 
Gewichte eindrucksvoller belichten können als die Engagements der 
Staatsfonds aus China, Singapur oder den Golfstaaten bei den durch 
die amerikanischen Hypothekenkrise angeschlagenen Banken. Erst die 
Krise hat den enormen, nach Diversifizierung suchenden 
Devisenreserven aus China und arabischen Ländern den Weg zurück 
geebnet. Amerikas Gläubiger tauschen die von Schwindsucht befallene 
US-Währung gegen Beteiligungen am Realkapital.
Während die Amerikaner, die noch vor kurzem arabisches Kapital für
amerikanische Seehäfen aus nationalen Sicherheitserwägungen 
blockierten, jetzt aus der Not eine Tugend machen und mit ihren 
Banken das Allerheiligste des amerikanischen Kapitalismus öffnen, 
können sich die Europäer an ausländische Staatsfonds als Investoren 
nur schwer gewöhnen. Das gilt insbesondere für Deutschland, wo die 
politische Diskussion über den Schutz vor ausländischen Staatsfonds 
hochkocht und den Gesetzgeber auf den Plan ruft.
In Deutschland, das stolz den Titel "Exportweltmeister" trägt und 
beinahe die Hälfte des Bruttoinlandsprodukts durch die Warenausfuhr 
erwirtschaftet, sind nach einer aktuellen Umfrage des Bundesverbandes
deutscher Banken drei von vier Bürgern der Meinung, dass der Staat 
wichtige deutsche Unternehmen vor einer ausländischen Übernahme 
schützen sollte. Dies ist Ausdruck der gezielt geschürten Angst vor 
ausländischem Staatskapitalismus. Dabei wird gern vergessen, dass 
auch deutsche Konzerne mit dominierendem staatlichen Einfluss - von 
Telekom über Bahn und Post bis hin zu einst Volkswagen - sich im 
Ausland an Unternehmen in Schlüsselbranchen beteiligten, dass 
umgekehrt sich ausländische Aktionäre deutscher Unternehmen 
überwiegend als verlässliche und langfristig orientierte 
Gesellschafter erwiesen haben (vgl. "Schöne neue Aktionärswelt", ab 
Seite 41).
Wenn Deutschland nicht zu den Verlierern der Globalisierung 
gehören will, gibt es zur Öffnung für ausländisches Kapital keine 
Alternative. Man muss im Gegenteil alles tun, um diesen 
Produktionsfaktor anzuwerben und ins Land zu holen. Denn andere 
Produktionsfaktoren wie Rohstoffe oder stark wachsende Bevölkerung 
fehlen.
Verflechtung nicht nur in den Handelsbeziehungen, sondern auch in 
den Kapitalbeziehungen sichert die Teilhabe am Wachstum der "Neuen 
Welt" mit Milliarden von potenziellen Konsumenten. Nur wenn sich 
Deutschland diesen Realitäten und Chancen stellt, wird es als 
Standort für Investitionen und zum Leben attraktiv bleiben.

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