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Der Tagesspiegel

Der Tagesspiegel: Bosbach fordert Verstärkung von Verfassungsschutz und Polizei für Kampf gegen Rechtsextremismus

Berlin (ots)

Verfassungsschutz und Polizei müssten sich "viel
intensiver" um die rechtsextreme Musikszene und die Auftritte von
Rechtsextremisten im Internet kümmern, fordert der Vizechef der
Bundestagsfraktion von CDU und CSU, Wolfgang Bosbach, im Interview
mit dem Tagesspiegel. Dazu müssten die Sicherheitsbehörden personell
und materiell so ausgestattet werden, "dass sie der Herausforderung
gerecht werden können", so Bosbach. Der CDU-Politiker unterstützt
auch den Vorschlag von Bundestagsabgeordneten der Union, der SPD und
der Grünen, das Strafgesetzbuch um einen Paragrafen zu ergänzen, der
die Verherrlichung hoher Repräsentanten des NS-Regimes wie Rudolf Heß
unter Strafe stellt. In der fränkischen Kleinstadt Wunsiedel, in der
Heß begraben liegt, marschieren jedes Jahres tausende Neonazis auf,
um an ihr Idol zu "erinnern". Bosbach bezweifelt, dass die von
Bundesinnenminister Otto Schily geplante Änderung des
Versammlungsrechts mit dem Grundgesetz zu vereinbaren ist. "Wir
würden dann erstmals im Demonstrationsrecht nach der Gesinnung von
Demonstranten fragen", sagte Bosbach. Schily will über eine Änderung
des Versammlungsrechts erreichen, dass rechtsextreme Aufmärsche schon
verboten werden können, wenn eine Verherrlichung oder Verharmlosung
des NS-Regimes zu erwarten ist.
Das komplette Interview folgt im Wortlaut.
Am vergangenen Sonnabend haben in Kiel trotz der bevorstehenden
Landtagswahl der CDU-Spitzenkandidat Peter Harry Carstensen und SPD-
Ministerpräsidentin Heide Simonis gemeinsam gegen einen Neonazi-
Aufmarsch demonstriert. Ist das ein Modell für den Kampf gegen
Rechtsextremismus?
Das ist ein gutes Zeichen, denn es ist der praktizierte
Schulterschluss der Demokraten gegen Rechtsextremismus. Ein solcher
Tag kann für die Union Anlass sein, einmal mehr deutlich zu machen,
dass Patriotismus und Rechtsextremismus rein gar nichts miteinander
zu tun haben. Es ist legitim und richtig, dass wir - beispielsweise
am 13. Februar - der Opfer der Dresdner Bombennacht gedenken und dies
nicht der falschen Trauer der Rechtsextremisten überlassen. Aber wir
dürfen nicht vergessen, wie alles angefangen hat. Erst brannten die
Bücher, dann weite Teile Europas und der Welt, und schließlich
brannte auch Deutschland.
Bundesinnenminister Otto Schily setzt sich für eine Änderung des
Versammlungsrechts ein. Rechtsextreme Aufmärsche sollen künftig schon
verboten werden können, wenn zu erwarten ist, dass die NS- Herrschaft
verherrlicht oder verharmlost wird. Unterstützen Sie Schilys Vorstoß?
Ich habe für diese Idee sehr viel Sympathie. Es ist allerdings zu
bezweifeln, dass Schilys Vorhaben verfassungsrechtlich haltbar ist.
Wir würden dann erstmals im Demonstrationsrecht nach der Gesinnung
von Demonstranten fragen. Und es wird im Einzelfall nicht leicht sein
nachzuweisen, dass die Demonstranten beabsichtigen, eine
Gewaltherrschaft zu verherrlichen oder zu verharmlosen.
Abgeordnete der Union, der SPD und der Grünen haben vorgeschlagen,
das Strafgesetzbuch um einen Paragrafen 86 b zu erweitern, der die
Verherrlichung hoher Repräsentanten des NS-Regimes, wie es seit
Jahren bei den Rudolf-Heß-Märschen in Wunsiedel passiert, unter
Strafe stellt.
Die Union will Bund und Ländern die Möglichkeit geben, an Orten
überragender Bedeutung befriedete Bezirke einzurichten.
Demonstrationen sollen dort aber möglich sein, wenn sie nicht die
Würde des Ortes beeinträchtigen. Allerdings kann man nicht ganz
Wunsiedel zu einem befriedeten Bezirk erklären. Deshalb kann eine
Verschärfung des Strafrechts Sinn haben, denn so würde praktisch auch
das Versammlungsrecht geändert. Es sind aber auch hier
verfassungsrechtliche Fragen zu prüfen.
CDU-Generalsekretär Volker Kauder fordert, die Bundesregierung
solle ein weiteres Verbotsverfahren gegen die NPD erwägen. Von Ihnen
war Skepsis zu hören.
Auch nach den Äußerungen des Präsidenten des
Bundesverfassungsgerichts, Hans- Jürgen Papier, die Einstellung des
damaligen Verbotsverfahrens sei keine Vorentscheidung über weitere
Anträge, bin ich kaum optimistischer. Es ist möglich, dass weiterhin
eine Sperrminorität der Verfassungsrichter die V-Mann-Probleme für
gravierend hält und ein Verfahren scheitert. Und ich bezweifle, dass
allein die jüngsten Äußerungen aus der NPD, so unappetitlich sie
sind, ausreichen, um eine aggressiv-kämpferische Haltung gegen die
Grundordnung der Republik besser nachzuweisen.
Was sollten die Demokraten über Gesetzentwürfe und Gedankenspiele
über ein neues Verbotsverfahren hinaus tun, um den Rechtsextremismus
zu stoppen?
Wir müssen in der Auseinandersetzung mit den Rechtsextremen
deutlich machen, dass sie dem Ansehen Deutschlands in der Welt
schweren Schaden zufügen. Das gilt für die Glatzköpfe und für
Rechtsextremisten in Schlips und Kragen, wie die Abgeordneten der NPD
und der DVU. Die Demokraten müssen sich außerdem verstärkt um die
Sorgen der Menschen kümmern, die nur aus Protest rechtsextreme
Parteien wählen. Zum Beispiel in Sachsen, wo die NPD besonders in den
Gebieten an der tschechischen Grenze viele Stimmen bekommen hat. Wenn
dort ein Teil der Bevölkerung fürchtet, die EU-Osterweiterung
verstärke Arbeitslosigkeit und Kriminalität, müssen die
demokratischen Parteien mit diesen Menschen ins Gespräch kommen.
Aber wie soll man gefestigten Rechtsextremen begegnen, die über
die brachiale Musik weiter Zulauf aus der Jugend erhalten?
Verfassungsschutz und Polizei müssen sich um die rechtsextreme
Rockszene und die Auftritte der Rechtsextremen im Internet viel
intensiver kümmern. Wir müssen die Behörden personell und materiell
so ausstatten, dass sie der Herausforderung gerecht werden können.
Tut die Union genug, um sich vom rechten Rand abzugrenzen? Der
wegen einer rechtslastigen Rede aus der Partei ausgeschlossene
Bundestagsabgeordnete Martin Hohmann wurde kürzlich von einem
Funktionär der Jungen Union in Mecklenburg-Vorpommern als Redner
eingeladen.
Die Einladung war politisch instinktlos. Die Union vor Ort hat die
richtigen Konsequenzen gezogen. Hohmann wird nicht auftreten, der
Kreisvorsitzende der Jungen Union hat seinen Posten aufgegeben. Die
Union sollte die Causa Hohmann als abgeschlossen betrachten.
Die Informationen stehen Ihnen bei Nennung der Quelle Tagesspiegel
zur Verfügung.
Inhaltliche Fragen richten Sie bitte an: Der Tagesspiegel, Ressort
Politik, Tel: 030-26009-615
ots-Originaltext: Der Tagesspiegel

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Der Tagesspiegel
Thomas Wurster
Chef vom Dienst
Telefon: 030-260 09-419
Fax: 030-260 09-622
Email: thomas.wurster@tagesspiegel.de

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