Schwäbische Zeitung: 60 Jahre Baden-Württemberg - Ein bisschen Stolz darf sein
Leutkirch (ots)
Die geglückte Mischung macht's. Badener und Württemberger haben trotz ihrer Berührungsängste so gut zueinander gefunden, dass bei den anstehenden Feierlichkeiten zum 60-jährigen Bestehen des Bindestrich-Landes fast nur über die Vorzüge gesprochen wird. Mal gelten die Lobesworte dem Erfindergeist, mal dem überdurchschnittlich hohen ehrenamtlichen Engagement. Wirtschaftskraft und Gemeinsinn haben Baden-Württemberg so stark gemacht.
Die Gefahr bei Feierlichkeiten liegt immer darin, über dem Stolz auf die erbrachten Leistungen nicht gelöste alte oder neue Probleme aus den Augen zu verlieren. Auch um den Südwesten machen die neuen Herausforderungen keinen Bogen. Die Politik muss Antworten darauf finden, Skeptiker und dem parlamentarischen Alltag gegenüber kritisch eingestellte Kreise besser einbinden.
Eine Lehre aus den Querelen um Stuttgart 21 ist auch der Wunsch der Bürgerschaft nach mehr Beteiligung ausgerechnet in einem Land, dessen Zustandekommen nur durch eine Volksabstimmung ermöglicht worden ist. Auch im Südwesten müssen die Herrschenden ihre Ängste ablegen vor dem Protest, der Kritik und dem Ruf nach mehr Mitsprache. Immer ist aber auch klarzustellen, dass am Ende Mehrheiten entscheiden. So funktioniert Demokratie.
Regierung und Opposition müssen gleichwohl ehrlich mit der bitteren Wahrheit umgehen, dass in der Vergangenheit auch dieses reiche und wirtschaftlich starke Land über seine Verhältnisse gelebt und einen unanständig hohen Schuldenberg angehäuft hat. Er engt in der Zukunft den Handlungsspielraum massiv ein. Damit Baden-Württemberg ein Land mit Vorbildcharakter bleibt, dürfen in zentralen Fragen Regierung und Opposition deshalb trotz aller politischen Unterschiede das Gesamtwohl nicht aus den Augen verlieren. Konsens bei Schlüsselfragen hilft dem Allgemeinwohl mehr als Scharmützel nur aus Lust am Disput. Heute ist dennoch ein Feiertag. Ein bisschen Stolz darf ruhig sein.
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