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Interview mit einem Toten

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Ein (fiktives) Gespräch zwischen dem Philosophen Martin Heidegger und dem Autor Markus Herrmann über dessen Roman „Heimlicher König im Reich des Denkens“

Markus Herrmann: Lieber Herr Professor Heidegger. Wie sind Sie zufrieden mit der Darstellung Ihres Lebens und Ihrer Philosophie in dem Roman „Heimlicher König im Reich des Denkens“ ?

Martin Heidegger: Ich muss sagen, Sie haben alle heißen Eisen angepackt, wie es immer so schön heißt. Die leidige NS-Thematik und mein angeblicher Antisemitismus spielen eine gewisse Rolle in dem Buch. Auf der anderen Seite haben Sie auch die guten Seiten meiner Biographie ausführlich dargestellt, besonders die Schilderung der Liebe zu meiner Heimat im Schwarzwald und Umgebung hat mir gefallen.

Markus Herrmann: Würde Ihr Bruder Fritz Heidegger, der Ich-Erzähler des Romans, wirklich so über Sie schreiben? Hat er Sie gut getroffen?

Martin Heidegger: Ich denke, er hätte vielleicht noch manche witzige Anekdote mehr eingestreut. Er war ein großer Filou. Aber er war auch wirklich sehr begabt und belesen, was Sie auch in dem Buch zum Ausdruck kommt. Damit will ich Ihnen kein Kompliment machen, aber Sie sind schon ganz gut in seine Rolle hineingeschlüpft. Vieles kann ich nachvollziehen, auch die erfundenen Passagen, die Sie ja im Nachwort auch als solche kennzeichnen, könnten sich so abgespielt haben. Vielleicht hätten Sie noch die ein oder andere mehr einbauen können.

Markus Herrmann: Ich wollte auch noch auf das Thema der Freundschaften mit bedeutenden Männern und Frauen eingehen. Finden Sie Ernst Jünger gut getroffen?

Martin Heidegger: Ja, die Zeichnung dieser Figur rückt ihn ein wenig in ein besseres Licht als er gemeinhin bei kritischen Geistern wegkommt. Er war ein sehr lebensfroher Mensch, hatte aber auch seine Päckchen zu tragen, wie etwa den frühen Tod seines Sohnes Ernstel im Zweiten Weltkrieg. Jünger machte sich Vorwürfe, dass der Filius ihm als Soldat nacheifern wollte und dabei ums Leben kam. Väter sind halt oft auch Vorbilder und viele Söhne treten in ihre Fußstapfen. Nietzsche etwa hat einmal geschrieben, dass sie dann vollenden können, was ihre Erzeuger nicht geschafft haben. Aber bei Jünger sah es anders aus. Der Sohn kam dabei um.

Markus Herrmann: Haben Sie die Bücher von Erhart Kästner auch so geschätzt, wie es im Roman vorkommt? Haben Sie sich damit so sehr beschäftigt?

Martin Heidegger: Die Liebe zu Griechenland und seiner Kultur hat uns tatsächlich verbunden. „Herr Heidegger, wir brauchen Sie“ hat er auch einmal bei einem festlichen Anlass gesagt. Gemeint waren die Künstler. Das hat mir gut getan. Es hat mich gefreut, dass Kästners Bücher so gute Verkaufszahlen hatten. Ja, ich war ein guter Freund von ihm, der immer zu mir gehalten hat. Er ist ja sogar aus der preußischen Akademie der Schönen Künste ausgetreten, weil Günter Grass ihr angehörte, der mich im Roman „Hundejahre“ verunglimpft hat. Kästner war mit mir solidarisch. Das waren die Kämpfe der Nachkriegszeit, die heute schwer nachzuvollziehen sind. Über Günter Grass gäbe es manches zu sagen, was ich mir hier verkneife. Er hat ja auch viele Verdienste, das muss ich zugeben.

Markus Herrmann: Ein eigenes Kapitel ist auch den Schülerinnen und Schülern gewidmet. Von Hannah Arendt stammt ja auch der Titel des Romans, „Heimlicher König im Reich des Denkens“. Spricht Sie das an?

Martin Heidegger: Das ist sicher ein großes Kompliment und vor allem auf die Zwanziger Jahre bezogen, aber Sie haben es als Überschrift über mein ganzes Leben gewählt. Manche fragen sich, was das eigentlich sein soll, ein Denker, aber die Philosophiegeschichte kann es gut erklären. Männer und Frauen, deren Beruf es ist, zu denken, sind sicher die raren Ausnahmen in der Bevölkerung. Ihnen gehen die „Wonnen der Gewöhnlichkeit ab“, wie es Thomas Mann einmal von den Künstlern gesagt hat. Andererseits galten die Deutschen einmal bekanntlich als das „Volk der Dichter und Denker“, aber auch andere Nationen haben ihre Literaten und Künstler, insofern ist das ein bisschen übertrieben. Ich habe aber ja auch einmal geschrieben, dass die Deutschen neben den Griechen vor allem das philosophische Volk schlechthin sind, ihre Sprache eignet sich besonders für tiefsinnige Gedanken. Dazu stehe ich noch heute.

Markus Herrmann: Aus dem „Volk der Dichter und Denker“ ist dann leider im Dritten Reich das der „Richter und Henker“ geworden. Damit sind wir wieder beim Thema Nationalsozialismus.

Martin Heidegger:Ja, leider. Große Fahrten gehen vom Weg ab, habe ich schon in meiner Jugend geschrieben. Insofern habe ich mein Schicksal vorausgesehen.

Markus Herrmann: Trotz allem haben Sie ein hohes Alter von siebenundachtzig Jahren erreicht. Sind Sie alt und lebenssatt gestorben, wie es im Alten Testament manchmal heißt? Sind Sie zufrieden mit Ihrem Leben?

Martin Heidegger: „Unser Leben währet siebzig und wenn es hoch kommt, achtzig Jahre. Und wenn es gut war, ist es Mühsal und Arbeit gewesen. Unsere Tage zu zählen lehre uns, dann gewinnen wir ein weises Herz.“ So steht es in den Psalmen. Eine hundertbändige Gesamtausgabe ist schon auch etwas. Aber was zählt, sind vor allem die Freundschaften und die Familie, auch da kann ich zufrieden damit sein. Meine Bilanz ist positiv, ich habe Fehler gemacht wie jeder Menschensohn, aber manches ist mir auch gelungen. So bin ich zum ewigen Vater heimgegangen, der schon im irdischen Leben seine schützende Hand über mich gehalten hat.

Markus Herrmann: Herr Professor Heidegger, vielen Dank für dieses Gespräch.

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