Gesellschaft für bedrohte Völker e.V. (GfbV)
Wahlen in Norwegen: Aufstieg der Rechtspopulisten bedroht die Rechte der Sámi
Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) zeigt sich besorgt darüber, dass die Ergebnisse der norwegischen Parlamentswahl und der Wahl des Sámi-Parlaments, dem Sameting, eine beunruhigende Veränderung des politischen Klimas im Land signalisieren und die Rechte der Sámi zunehmend unter Druck geraten. Norwegen, der erste Staat, der das ILO-Übereinkommen 169 über die Rechte Indigener Völker ratifizierte, hatte in den vergangenen Jahrzehnten konsequent daran gearbeitet, strukturelle und politische Ungleichheiten gegenüber den Sámi im politischen System abzubauen.
„Der Wahlerfolg der Sozialdemokraten bei der Parlamentswahl zeigt eine weiterhin bestehende Unterstützung für das Selbstbestimmungsrecht der Sámi. Zugleich deutet der deutliche Zuwachs für rechtspopulistische Parteien in beiden Wahlen auf eine besorgniserregende Entwicklung und eine zunehmende Bedrohung indigener Rechte hin“, sagt Gerrit Hofert, Menschenrechtsreferent der GfbV.
Bei der Parlamentswahl hat die Fortschrittspartei FrP – die laut den vorläufigen Wahlergebnissen mit 23,9 Prozent* zweitstärkste Kraft ist – wiederholt ihre Absicht bekundet, das Sámi-Parlament abzuschaffen. Zweitstärkste Kraft bei der Sametingswahl mit 32,7 Prozent* der Stimmen ist die Partei NKF (North Calotte People), die wegen ihrer ähnlichen populistischen Rhetorik häufig mit der FrP verglichen wird. Die Sámi-Partei zielt darauf ab, die freie, vorherige und informierte Zustimmung (Free, Prior and Informed Consent, FPIC) – ein international anerkanntes Prinzip, das vorschreibt, Indigene Völker zu konsultieren, bevor Maßnahmen ergriffen werden, die ihre Länder, Territorien, Ressourcen oder Rechte beeinträchtigen könnten – als Entscheidungsgrundlage abzuschaffen.
Das Sameting verfügt weder über Regierungs- noch Gesetzgebungsbefugnisse. Seine Aufgabe ist es, in Fragen der sámischen Kultur, Sprache und Gesellschaft zu beraten. Das Gremium wurde 1989 geschaffen, um die Beteiligung und Repräsentation sámischer Akteure in einer Region sicherzustellen, in der die Sámi Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts schwerer Unterdrückung ausgesetzt waren.
„Beide Parteien argumentieren, besondere Rechte für die Sámi führten zu einer Ungleichbehandlung der Bürger. Tatsächlich ist das Gegenteil der Fall. Der Bau des Alta-Staudamms und das Windparkprojekt in Fosen zeigen, dass die Sámi-Bevölkerung noch immer nicht das Recht hat, über ihr Land zu bestimmen, so wie es rechtlich eigentlich vorgeschrieben ist“, erklärt Hofert. Es bestehe die Gefahr, dass die Rechte der Sámi geschwächt werden. So gerate etwa die Rentierhaltung, eine zentrale kulturelle Tradition der Sámi, unter Druck, wenn industrielle Vorhaben wie Bergbauprojekte oder Energieanlagen in Sámi-Gebieten geplant werden, warnt die GfbV. Eine Abschaffung des Rechts der Sámi auf freie, vorherige und informierte Zustimmung könnte dazu führen, dass Wirtschaft und Industrie Vorrang vor dem Wohlergehen der Gemeinschaften, dem Schutz der Umwelt und sámischen Kulturtraditionen erhalten.
„Die neue norwegische Regierung darf nicht zulassen, dass populistische Rhetorik die Rechte der Sámi aushöhlt“, fordert Hofert. „Die Regierung muss das Sameting stärken, das Konsultationsrecht der Sámi wahren und den Verpflichtungen zum Schutz der indigenen Gemeinschaften vollständig nachkommen. Echte Teilhabe ist ein menschenrechtliches Minimum.“ Der Schutz der Rechte Indigener Völker ist in internationalen Verträgen wie der ILO 169, dem Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte (IPBPR/ICCPR) und der UN-Erklärung über die Rechte indigener Völker (UNDRIP) festgelegt.
*Stand vom 10. September 2025, 15 Uhr. Zu diesem Zeitpunkt sind 92 Prozent der abgegebenen Stimmen bei der Sametingwahl und 99 Prozent der Stimmen bei der Parlamentswahl ausgezählt.
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