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Es sind die schlechtesten Früchte nicht, an denen die Wespen nagen

Es sind die schlechtesten Früchte nicht, an denen die Wespen nagen
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Von denen, die von Martin Heidegger schon einmal gehört haben, gibt es auch einen Anteil derer, die bekennen, seine Schriften gar nicht oder nur schwer zu verstehen. Sie hätten es versucht, sie zu lesen und seien daran gescheitert. Auch bei einer Lesung hat vor einiger Zeit ein Besucher die Frage der Verständlichkeit seiner Texte aufgeworfen. Mir gehen solche Bemerkungen innerlich nahe. Möglicherweise sitzen diese Menschen einem Irrtum auf. Müssen wir alles, was wir lesen, auch vollständig verstehen?

Seit der Veröffentlichung des Romans „Heimlicher König im Reich des Denkens“ aus meiner Feder reagieren die Menschen in meiner Umgebung ganz unterschiedlich darauf. Einige wissen Genaueres über die Hauptperson des Buches, Martin Heidegger. Vor allem gilt dies für Theologen wie Pfarrer, Diakone, andere kirchliche Mitarbeiter und gläubige Christen, oder einfach nur intellektuell Interessierte. Sie wissen etwa, dass er aus Meßkirch in Baden stammte, sein Hauptwerk „Sein und Zeit“ heißt und er zeitweise mit Hannah Arendt liiert war. Auch seine Verstrickung in die Politik des Dritten Reiches ist ihnen bekannt. Andere haben zumindest schon einmal von ihm gehört und der Name ist ihnen geläufig. Eine dritte Gruppe von Menschen jedoch ist etwas verlegen, weil ihnen der Name oder das Feld der Philosophie ganz fremd ist und sie ihr Unwissen darüber eingestehen müssen. Ich tröste sie meistens damit, ihnen zu sagen, sie könnten auch gut durchs Leben kommen, ohne die Schriften Martin Heideggers zu kennen. Aber die Frage nach dem „Sinn von Seyn“, wie er es nannte und die er aufwarf, könnte trotzdem auch sie betreffen, füge ich gleichwohl hinzu.

Ein Buch kann doch auch durch seine Sprache faszinieren, oder auch nur durch den einen oder anderen Gedankengang, der mir dann doch zwischendurch einleuchtet. Auch lese ich manchmal sogar Romane, bei denen mir die Handlung über manche Strecken unklar bleibt, aber doch die eine oder andere Szene im Gedächtnis haftet oder nur ein einzelner Satz oder eine Redensart. Wie viel mehr gilt dies von philosophischen Texten!

Auch Martin Heidegger ist ein solcher Einwand gegen seine Philosophie öfter begegnet. Er hat dazu Stellung genommen. „Das Sich-Verständlich-Machen ist der Tod der Philosophie“ hat er dazu gesagt. So kann es sein, dass er sich selbst bewusst war, dass seine Texte hermetisch und rätselhaft sind und er es sogar darauf angelegt hat. Auch andere Philosophen haben mit dem Vorwurf der Unverständlichkeit zu leben. Lange Satzperioden und schwierige Gedankengänge finden sich etwa auch beim Königsberger Immanuel Kant, bei Friedrich Wilhelm Hegel oder dem Dänen Sören Kierkegaard. Sie verhindern oft eine eingehende Beschäftigung mit ihrem Werk, was schade ist. Die großen Stilisten unter den Philosophen wie Friedrich Nietzsche oder auch Arthur Schopenhauer finden leichter ihre Leser.

Bemerkenswert reagiert hat auch Carl Friedrich von Weizsäcker, der über Heideggers Schriften gesagt hat: „Ich verstehe kein Wort. Aber das ist Philosophie“. Von manchen Texten geht eben ein Zauber aus, jenseits allen Verstehens und Ausdeutens. Mancher, der die Beschäftigung mit Heideggers Schriften resigniert aufgegeben hat, meint vielleicht, er verschwende seine Zeit mit der Lektüre, da er ohnehin so wenig oder gar nichts verstehe. „Es bringt ihm oder ihr zu wenig“, heißt es dann. Unter dem Aspekt der unmittelbaren Brauchbarkeit gesehen ist aber Philosophie wenig ergiebig. Das hat auch Martin Heidegger einmal erkannt, als er einem Schüler eine Stelle im Ausland verschaffen wollte und er dabei auf Schwierigkeiten wegen des Faches stieß. Insofern ist Philosophie „nutzlos“ und die Beschäftigung mit ihr in einer rationalisierten Welt nur schwer zu vermitteln. Wer sich aber darauf einlässt, wird dennoch Lohn erhalten. „Die Philosophie ist von ungeheurem Wert. Ohne sie müsste das Leben scheußlich sein,“ bekannte der Freund und Kollege von Martin Heidegger, Karl Jaspers.

Trotz aller Vorbehalte und allem Unverständnis sind doch einige Sätze von Martin Heidegger in den Sprachgebrauch vorwiegend unter Intellektuellen eingegangen. Dies gilt für „das Fragen ist die Frömmigkeit des Denkens“, „die Sprache ist das Haus des Seins“ oder „Sprache ist das Geläut der Stille“. Solche Zitate sind neben manch Anderem bei mir im Gedächtnis hängen geblieben. Auch ist mir der ganze Duktus der Sätze Heideggers unvergesslich. Seine Sprache unterscheidet sich sehr von dem journalistischen Slang, dem wir so oft begegnen. „Raunender Beschwörer des Seins“ nennt ihn sein Bruder Fritz Heidegger. Freilich halten dies manche für „Geschwurbel“, „Geschwätz“ oder schlicht „Unsinn“, was ja sinngemäß auch sein prominenter Kritiker Theodor W. Adorno in seiner Schrift „Jargon der Eigentlichkeit“ angemerkt hat.

In neuerer Zeit hat aber etwa der Literaturnobelpreisträger Jon Fosse bekannt, Heideggers Texte gelesen zu haben. Der Norweger hat ja vor allem auch durch seine Lektüre von Meister Eckhart, dem mittelalterlichen Mystiker, zum Glauben gefunden. Und Martin Heidegger haben manche schon als einen seiner Nachfolger im zwanzigsten Jahrhundert angesehen. So schließt sich ein Kreis. „Das Nichts nichtet“, „Das Dnig dingt“ und ähnliche Sätze von Martin Heidegger finden manche faszinierend und andere wenig aussagekräftig. So scheiden sich die Geister an dem Philosophen aus Meßkirch. Aber es sind die „schlechtesten Früchte nicht, an denen die Wespen nagen“, lautet ein Sprichwort, dass auch Fritz Heidegger in Bezug auf seinen Bruder zitiert.

Herzlichst

Markus Herrmann

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