DHZC-Pressemitteilung | Kunstherz: Wann ist der richtige Zeitpunkt?
Eine weltweit bisher einmalige Studie mit führender DHZC-Beteiligung soll eine oft lebenswichtige Entscheidung für Patient:innen mit schwerer Herzinsuffizienz verbessern.
Wann ist der bestmögliche Zeitpunkt für die Implantation eines Kunstherzens, also einer mechanischen Kreislaufpumpe? Diese Frage entscheidet bei vielen Patientinnen und Patienten mit fortgeschrittener Herzinsuffizienz über Lebensqualität und Überlebenschancen.
In der Praxis wird diese wichtige Entscheidung jedoch häufig erst sehr spät getroffen – oft dann, wenn sich die Betroffenen bereits in einem kritischen, lebensbedrohlichen Zustand befinden. Mit einer weltweit einzigartigen Studie an 75 medizinischen Zentren suchen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nun nach besseren Antworten. Das Deutsche Herzzentrum der Charité (DHZC) nimmt als Klinik hierbei eine führende Rolle ein. Am DHZC wurde nun der erste Patient in Europa in die Studie eingeschlossen.
Kunstherz: Lebensrettend, aber mit Risiken
Herzinsuffizienz, umgangssprachlich auch Herzschwäche genannt, gehört zu den häufigsten und gefährlichsten Erkrankungen weltweit. Verschlechtert sich die Erkrankung so weit, dass Medikamente und andere Therapien nicht mehr ausreichen, kann ein sogenanntes VAD-System (Ventricular Assist Device) zum Einsatz kommen. Diese mechanischen Kreislaufunterstützungssysteme, oft auch vereinfacht als „Kunstherzen“ bezeichnet, übernehmen teilweise oder vollständig die Pumpfunktion des geschwächten Herzens und können Leben retten.
Allerdings ist die Implantation eines solchen Systems ein chirurgischer Eingriff, der mit Risiken verbunden ist. Diese konnten in den vergangenen Jahren durch Optimierung der Pumpen und Behandlungsverfahren deutlich gesenkt werden. Die Lebensqualität beschreiben Patient:innen mit einem VAD-System als gut bis sehr gut. Trotzdem gibt es durch das Leben mit dem Kunstherz gewisse Einschränkungen – beispielsweise durch das Mitführen externer Komponenten und regelmäßige Kontrollen. Die Systeme sollten daher, wenn möglich, nicht ohne sorgfältige Abwägung von Nutzen und Risiken und auch nicht zu früh implantiert werden.
Mit bis zu 75 beteiligten Kliniken weltweit und über 800 geplanten Teilnehmenden ist TEAM-HF die erste Studie, die die Frage nach dem optimalen Zeitpunkt einer VAD-Implantation im internationalen Umfang systematisch untersucht. Prof. Dr. Felix Schönrath, Leiter des Studienteams am DHZC, ist Mitglied im „Steering Committee“, also dem wissenschaftlichen Leitungsgremium der Studie.
TEAM-HF soll insbesondere:
- klären, ob die Messung des Lungendrucks durch miniaturisierte Sensoren helfen kann, Hochrisikopatient:innen frühzeitig und objektiv erkennen zu können und
- den exakten Zeitpunkt des Einbaus eines Kunstherzsystems definieren: nicht zu spät, aber eben auch nicht zu früh.
Sensor soll frühzeitig drohende Verschlechterung anzeigen
Wesentliches Instrument der Studie ist dabei ein spezieller, nur wenige Millimeter großer Sensor, der minimalinvasiv in die Lungenschlagader eingesetzt wird. Er misst kontinuierlich den Druck in der Lungenschlagader – ein Frühindikator dafür, wie stark die Herzinsuffizienz das Herz-Kreislauf-System bereits belastet.
Das System ermöglicht Ärztinnen und Ärzten eine noch detailliertere, kontinuierlichere und präzisere Überwachung der Herzleistung als gängige telemedizinische Messmethoden wie EKG, Blutdruck- oder Pulsmessung. Die Daten werden nahezu täglich automatisch übermittelt und erlauben so eine engmaschige Kontrolle des Krankheitsverlaufs – deutlich früher und zuverlässiger als bisher möglich.
Bleibt der Druck trotz optimaler medikamentöser Behandlung dauerhaft erhöht, deutet das auf eine drohende Verschlechterung hin. Die Betroffenen können dann frühzeitig für weiterführende Therapien wie den Einsatz eines VAD-Systems in Betracht gezogen werden.
Erster Studienteilnehmer am DHZC eingeschlossen
Am Deutschen Herzzentrum der Charité (DHZC) wurde nun der erste Patient außerhalb der USA in die TEAM-HF-Studie eingeschlossen: Wolfgang K., 66 Jahre alt, aus Petershagen bei Strausberg. Der gelernte Mechaniker erlitt bereits 2010 seinen ersten Herzinfarkt. In den Folgejahren kamen weitere Infarkte hinzu, die die Pumpleistung seines Herzens zunehmend schwächten. Heute lebt er mit einer schweren Herzinsuffizienz.
Für ihn könnte der Einsatz eines VAD-Systems in Zukunft eine wichtige Therapieoption sein. Wann genau dieser Zeitpunkt gekommen ist, soll die kontinuierliche Überwachung mit dem speziellen Sensor zeigen – und genau dazu möchte die TEAM-HF-Studie einen entscheidenden Beitrag leisten.
Hoffnung auf präzisere Therapieentscheidungen
„Angesichts des anhaltenden Mangels an Spenderorganen bleiben mechanische Kreislaufunterstützungssysteme für viele Patientinnen und Patienten mit schwerer Herzinsuffizienz auf absehbare Zeit eine der wenigen lebensrettenden Therapieoptionen“, sagt Prof. Dr. Felix Schönrath, Leiter des Studienteams am DHZC. „Es muss unser Anspruch sein, diese Therapie so gezielt und individuell wie möglich einzusetzen. Mit dieser Studie wollen wir dazu einen entscheidenden Beitrag leisten.“
Christian Maier
Leitung
Kommunikation und Marketing
Deutsches Herzzentrum der Charité
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