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Neues Deutschland: Wer den Wähler nicht ehrt...

Berlin (ots)

Der schleswig-holsteinische SPD-Spitzenkandidat
Ralf Stegner hatte am Wahlabend ein Aha-Erlebnis: Die Wahlbeteiligung
ist der Schlüssel. Überall dort, wo die Wahlbeteiligung hoch sei, so 
der Mann, der sich in vier Wochen zur Abstimmung zu stellen hat, gebe
es keine schwarz-gelbe Mehrheit. Na gut, jeder bastelt sich die ihm 
genehmen Wahrheiten zurecht. Denn freilich gab es überall dort, wo 
die Wahlbeteiligung hoch war - also in Thüringen und im Saarland -, 
auch für die SPD kein sonderlich berauschendes Ergebnis, hätte 
Stegner mühelos erkennen können. Im Saarland waren die 
Sozialdemokraten so mies wie selten - in Thüringen nur wenig besser 
als nach dem Tiefstpunkt 2004.
 Was Stegner freilich nicht wahrhaben will, ist etwas völlig
anderes. Die Wahlbeteiligung kommt nicht von selbst und ist allein 
mit Appellen an die demokratische Mitwirkungspflicht nicht zu 
erreichen. Wähler wollen eben wirklich die Wahl haben, sie brauchen 
das zwingende Gefühl, tatsächlich etwas mitzuentscheiden - 
beispielsweise zwischen dem von Gregor Gysi erst neulich als 
Konsenssoße bezeichneten neoliberalen Einerlei und einer politischen 
Kraft, die sich dieser Logik widersetzt. Sie sind es einfach leid, 
von allen anderen Parteien nur in Nuancen unterschiedlich erklärt zu 
bekommen, dass soziale Einschnitte unvermeidlich sind. Und sie haben 
mit den Jahren auch gelernt, nur Wochen geltende Wahlversprechen als 
das zu verifizieren, was sie sind: gezielte und vorsätzliche 
Wählerverdummung. Folge war eine zunehmende Verweigerungshaltung.
 Überall dort, wo es am Sonntag für die Wähler eine echte 
Alternative gab - nämlich die Entscheidung zwischen Althaus (CDU) und
Ramelow (LINKE) oder zwischen Müller (CDU) und Lafontaine (LINKE) - 
haben sie nach Jahren von Abstinenz und Gleichgültigkeit den Weg in 
die Wahllokale gefunden. Immerhin kamen im Saarland 43 000 
Linkswähler aus dem Nichtwählerlager. Die Partei zwischen beiden 
Antipoden - die nicht einmal sagen wollte oder konnte, mit wem sie 
demnächst gemeinsam Politik machen will - musste dabei verlieren oder
konnte zumindest nicht nennenswert zulegen.
Fest steht: In Thüringen und an der Saar galt es plötzlich 
wieder, sich einzumischen - es herrschte im Unterschied zu Sachsen 
Wechselstimmung. Und viele wollten dabei sein, wenn sich etwas 
verändert. Werden diese Wähler jetzt enttäuscht, weil beispielsweise 
die SPD in Thüringen den Willen auf einen Politikwechsel ignoriert, 
wird bedeutend mehr verspielt als eine regionale Option.

Pressekontakt:

Neues Deutschland
Redaktion

Telefon: 030/2978-1715

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