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WAZ: Warum Europa Gesichter braucht - Kennen Sie Joe Borg? Kommentar von Walter Bau

Essen (ots)

Mit ihren bunten Werbeplakaten zur Europawahl, die
uns in den vergangenen Wochen von Straßenbäumen und Laternenmasten 
entgegen leuchteten, haben die Parteien etwas Bemerkenswertes 
geschafft. Sie haben die Parolen und Slogans aus früheren Kampagnen 
an Einfallslosigkeit noch einmal übertroffen. Sinnfreier war 
Wahlkampf nie. Darf man sich da wundern, wenn die Mehrheit der Wähler
an diesem Wochenende Europa die kalte Schulter zeigt und sich den Weg
ins Wahllokal spart?
Die beschämende Einfalt der Parteien ist aber nicht der 
Hauptgrund dafür, dass das Interesse der Menschen an der EU und damit
an den Europawahlen seit langem kontinuierlich abnimmt. Das vereinte 
Europa - für viele Europäer klingt dies inzwischen wie eine Formel 
ohne Inhalt. Die großen europäischen Themen wie die Aussöhnung nach 
zwei Weltkriegen oder, viele Jahre später, der Wegfall der 
Schlagbäume sind weitgehend abgearbeitet. Chemikalien-Verordnung, 
Dienstleistungs-Richtlinie, Binnenmarkt - all dies ist wichtig, taugt
aber nicht dazu, Begeisterung für Europa zu wecken. Vor allem jedoch:
Es fehlen die europäischen Identifikationsfiguren.
Wo einst Konrad Adenauer und Charles de Gaulle, Helmut Kohl und 
François Mitterrand der europäischen Idee ein Gesicht gaben, die 
"Idee Europa" - trotz nationaler Interessen und parteipolitischen 
Kalküls - mit Leben füllten, regieren heute Staatschefs, die vollauf 
damit beschäftigt sind, ihre Macht daheim in Berlin, London oder 
Paris zu festigen oder zu retten. Europa folgt, bestenfalls, an 
zweiter Stelle.
Brüssel kann dieses Manko nicht ausgleichen. Kennen Sie Joe Borg?
Oder Antonio Tajani? Siim Kallas, Louis Michel, Janez Potocnik? Sie 
alle sind Mitglieder der EU-Kommission, die sich gern "Regierung der 
EU" nennt. Das Problem: Das 27-köpfige Gremium ist nicht demokratisch
gewählt, sondern nach Nationen- und Parteienproporz ausgekungelt. Ein
vereintes Europa, das diesen Namen verdient, braucht jedoch eine 
Regierung, die die Mehrheitsverhältnisse im Parlament widerspiegelt 
und weitreichende Kompetenzen besitzt. Es braucht Politiker, die die 
Formel Europa mit neuen Ideen füllen und ihr ein Gesicht geben. Ein 
vom Volk direkt gewählter Europa-Präsident, wie von Innenminister 
Wolfgang Schäuble ins Gespräch gebracht, wäre ein erster wichtiger 
Schritt in diese Richtung. Zementiert Europa dagegen seinen Status 
Quo, werden sich künftig noch mehr Bürger von ihm abwenden.

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Zentralredaktion
Telefon: 0201 / 804-6528
zentralredaktion@waz.de

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