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Das Kolpingwerk Deutschland zur Digitalisierung unserer Gesellschaft

Nach Dampfmaschine, Fließband und Computer verändert die Digitalisierung unsere Gesellschaft. Die große Frage ist: Entwickeln wir uns vor dem Hintergrund digitaler Errungenschaften in eine Gesellschaft, die sozialer und gerechter wird?

Nach Dampfmaschine, Fließband und Computer verändert die Digitalisierung unsere Gesellschaft. Die große Frage ist: Entwickeln wir uns vor dem Hintergrund digitaler Errungenschaften in eine Gesellschaft, die sozialer und gerechter wird? Oder verstärken Prozesse der Digitalisierung die Ausgrenzung einiger Bevölkerungsgruppen, die sich ohnehin schon "abgehängt" fühlen? Diese Frage stellt das Kolpingwerk Deutschland und gibt darauf in einer aktuellen Positionierung erste Antworten.

Jede dieser Entwicklungen für sich biete Möglichkeiten: Die digitale Welt habe die Chance, eine sozialere, eine gesündere, eine arbeitnehmer- und nutzerfreundlichere sowie eine produktivere Welt zu werden. Gleichzeitig gebe es Schreckensszenarien über mögliche dramatische Auswirkungen in der Arbeitswelt.

Für das Kolpingwerk ist klar, dass Dinge aus Stahl, Kupfer und Silizium auch in Zukunft menschliche Zuwendung nicht ersetzen können. "Menschlichkeit und soziale Verantwortung sind nicht austauschbar mit Algorithmen oder Codes. Nicht alles, was technisch möglich ist, darf auch genutzt werden und ist auch an jeder Stelle gewollt." Für das Kolpingwerk Deutschland stehe fest: "Der Mensch muss auch in Zukunft im Mittelpunkt stehen. Wir setzen uns deshalb dafür ein, die Digitalisierung in positiver, werteorientierter Weise zu gestalten."

Nachfolgend die vollständige Erklärung des Bundesvorstandes des Kolpingwerkes Deutschland:

In der Gegenwart die Zukunft im Blick

Das Kolpingwerk Deutschland zur Digitalisierung unserer Gesellschaft

"KOLPING misst einer menschenwürdigen Gestaltung der Arbeitswelt eine besondere Bedeutung bei. Entwicklungen wie Globalisierung oder die Möglichkeiten der Informations- und Kommunikationsgesellschaft müssen sich hieran messen lassen. Denen, die vom Fortschritt ausgegrenzt sind, gilt in der Tradition Adolph Kolpings unsere besondere Unterstützung" (Leitbild Ziffer 74).

Diese Passage aus dem Leitbild des Kolpingwerkes Deutschland aus dem Jahr 2000 verdeutlicht den Stellenwert gesellschaftlicher Herausforderungen, was auch für die Digitalisierung gilt: Nach Dampfmaschine, Fließband und Computer ist dies der nächste große Schritt, der unsere Gesellschaft verändert. Doch es wäre falsch, diese Entwicklung in eine ferne Zukunft zu datieren. Im Gegenteil, die Digitalisierung findet heute statt und manifestiert sich in Smartphones, Staubsaug-Robotern, intelligenten Kaffeemaschinen, oder Hightech-Maschinen der Industrie und des Handwerks - um nur einige Beispiele zu nennen. Die große Frage ist: Entwickeln wir uns vor dem Hintergrund digitaler Errungenschaften in eine Gesellschaft, die sozialer und gerechter wird? Oder verstärken Prozesse der Digitalisierung die Ausgrenzung einiger Bevölkerungsgruppen, die sich ohnehin schon "abgehängt" fühlen?

Entwicklung gestalten

Jede dieser Entwicklungen für sich bietet Möglichkeiten: Die digitale Welt hat die Chance, eine sozialere, eine gesündere, eine arbeitnehmer- und nutzerfreundlichere sowie eine produktivere Welt zu werden. Gleichzeitig gibt es diejenigen, die warnen. Teilweise werden in Studien und Debatten sogar Schreckensszenarien gezeichnet, die z. B. für die Arbeitswelt dramatische Auswirkungen und letztlich die Arbeitslosigkeit von Millionen von Menschen prognostizieren. Das Kolpingwerk Deutschland, als katholischer Sozialverband mit einer über 160-jähriger Tradition, will hingegen eine vorurteilsfreie Debatte über die Chancen und Risiken führen. Die Digitalisierung ist eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung, die es zu gestalten gilt. Hierbei sind verantwortliches und solidarisches Handeln gefragt

Bildung ist gefragt

Um zu verhindern, dass die digitale Welt Fortschrittsverlierer erzeugt und somit Gesellschaft spaltet, misst KOLPING der Bildung und Weiterbildung einen entscheidenden Stellenwert bei. Denn klar ist, dass die Digitalisierung neue Anforderungen an den Menschen definiert. Dabei spielt es keine Rolle, in welchem Kontext wir uns bewegen: Jugendliche oder Senioren, Familie oder Partnerschaft, Arbeitswelt oder Freizeit - alle sind gleichermaßen betroffen. Umso wichtiger ist es, dass niemand vergessen oder durch diese Entwicklung abgehängt wird. Ganzheitliche Bildung sowie lebenslanges Lernen sind mehr denn je Voraussetzung für eine eigenverantwortliche und dem Gemeinwohl verpflichtete Lebensgestaltung. Für KOLPING ist dabei selbstverständlich, dass jeder Mensch seine Chancen erhält und nutzen kann.

An dieser Stelle, an der es um Verantwortung und Solidarität geht, sind alle gesellschaftlichen Akteure gefragt - Staat, Sozialpartner und jede/r Einzelne. Um es konkret zu machen: Es ist die Verantwortung des Staates, den rechtlichen Rahmen zu bestimmen und für die notwendige Infrastruktur zu sorgen. Die Bildungslandschaft ist auf neue Herausforderungen auszurichten. Dafür sind große Investitionen notwendig. Sicherlich sind dabei Pilotprojekte und "Leuchttürme" wichtig; es darf jedoch nicht versäumt werden, auch in der Fläche zu investieren, z. B. in den ländlichen Raum. Aber auch Zielgruppen mit spezifischen Bedürfnissen müssen unterstützt werden, z. B. Menschen in Einrichtungen der Jugendberufshilfe oder mit Behinderung. Eine einseitige Konzentration auf Teilbereiche des Bildungssystems verbietet sich.

Gleichzeitig liegt es aber auch im Eigeninteresse der Unternehmen, Chancen der Digitalisierung zu entdecken. Neben der Produktionssteigerung, der Kostenminderung und der Erschließung neuer Geschäftsfelder, stehen sie in der besonderen Verantwortung, in eine adäquate Aus- und Weiterbildung zu investieren und die Chancen der Digitalisierung für eine humanere Gestaltung der Arbeitsbedingungen zu nutzen.

Verantwortung ist gefragt

Digitale Medien bedienen zu können, heißt nicht, sie auch zu verstehen. Die zahlreichen Debatten um Facebook und andere soziale Netzwerke verdeutlichen, dass ein kritischer und reflektierter Umgang mit einer digitalisierten Welt gelernt sein will um Risiken zu vermeiden und alle Potentiale digitaler Medien auszuschöpfen.

Algorithmen gewinnen zunehmend eine entscheidende Bedeutung. Sie bewerten und entscheiden, welche Informationen bei uns ankommen und wie unsere Informationen wiederum geteilt werden. Auf der einen Seite gilt es, beim Nutzer ein Bewusstsein dafür zu schaffen, dass Inhalte - mehr denn je - reflektiert werden müssen. Denn Kontrollinstanzen, wie sie der klassische Journalismus kennt, finden im freien Internet ihre Grenzen. Auf der anderen Seite braucht es aber auch Transparenz und Fairness, um den Nutzer nicht in die Irre zu führen. Und das unabhängig davon, ob es bewusst oder unabsichtlich geschieht. Gleichzeitig bieten Algorithmen aber auch Chancen, wenn z. B. logische Funktionen dazu beitragen, dass in Bewerbungsverfahren mehr Objektivität gewährleistet und somit Diskriminierung verhindert wird.

Die digitale Welt verändert auch die Kommunikation und das Kommunikationsverhalten vieler Menschen. Neue Netzwerke zwischen Menschen und eine vergrößerte Reichweite sind Chancen - unsere Welt wächst zusammen. Der Zerfall von Diktaturen weltweit, getrieben durch demokratische Bewegungen, die über soziale Netzwerke interagieren, hat gezeigt, welche Macht davon ausgeht. Es gilt, diese Freiheit des Internets zu schützen.

Gleichzeitig zeigen z. B. nationalistisch gesinnte Beiträge im Internet die andere Seite dieser Medaille. Die Freiheit und Anonymität des Internet bergen die Gefahr, einen Raum zu missbrauchen. Mutwillige Falschmeldungen, Diskriminierung oder Diffamierung sind im Internet Alltag. Auch hier kommt den Algorithmen eine entscheidende Bedeutung zu. Sie können dazu beitragen, dass Minderheitenmeinungen ungezügelt wachsen oder sich Nutzer in Informationsblasen bewegen, die relevante Informationen filtern. Der Staat muss dieser Erscheinungsform konsequent mit einem verstärkten, aufklärenden Bildungsauftrag, aber auch einer konsequenten Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten oder Straftaten im Internet begegnen.

Besorgniserregend ist zudem die Verrohung der Sprache und der Umgangsformen in den sogenannten sozialen Netzwerken, welche durch die zulässige Anonymität befeuert wird. Für das Kolpingwerk ist die Achtung vor der Würde jedes Menschen ein absolutes Muss! Wir treten ein für einen respektvollen Umgang mit unseren Mitmenschen und verstecken uns nicht hinter Pseudonymen.

Der Gesetzgeber ist gefragt

Fragen der Datenverarbeitung und -weitergabe bedürfen klarer Regeln, unmissverständlicher Kommunikation sowie eindeutiger Selbstverpflichtungen. Datenschutz darf keine Absichtserklärung sein, sondern muss zu einer unaufgeforderten Selbstverständlichkeit werden. Die Grundrechte der Bürgerinnen und Bürger, die auch das Recht auf informationelle Selbstbestimmung umfassen, sind durch den Gesetzgeber zu schützen. Daher müssen technischen Möglichkeiten der digitalen Welt auch ständig auf ihre Grundrechtskonformität hin überprüft werden. Dies gilt insbesondere auch beim Einsatz von Systemen mit künstlicher Intelligenz.

Eine besondere Verantwortung trägt der Staat bei der Digitalisierung von Waffensystemen. Längst sind teilautonome Waffensysteme im militärischen Einsatz. Vollautonome Kampfroboter sind keine Utopie mehr. Es ist richtig, dass die daraus resultierenden Fragen in einer von der Bundesregierung eingesetzte Enquete-Kommission diskutiert werden. Für das Kolpingwerk ist hingegen klar, dass vollautonome Waffen nicht zum Einsatz kommen dürfen. Die Staatengemeinschaft ist aufgefordert, diesbezüglich internationale Abkommen zu schließen, die den Einsatz von autonomen Waffensystemen unterbinden.

Welche Maßnahmen will die Bundesregierung ergreifen?

Im November 2018 hat die Bundesregierung ihre "Umsetzungsstrategie zur Gestaltung des digitalen Wandels" veröffentlicht. Die Strategie besteht aus fünf Handlungsfeldern, die aus dem Koalitionsvertrag abgeleitet sind. Es sind: Digitale Kompetenz, Infrastruktur und Ausstattung, Innovation und digitale Transformation, Gesellschaft im digitalen Wandel sowie Moderner Staat. Im Bereich der digitalen Kompetenz wird neben der schulischen Bildung auch die Berufs- sowie die Erwachsenenbildung fokussiert.

Für den Bereich des Arbeitslebens formuliert die Bundesregierung: "Der digitale Wandel kann für mehr Beschäftigung sorgen. Er kann an anderer Stelle durch Automatisierung aber auch menschliche Tätigkeiten ersetzen". Wo flexible Arbeitszeitmodelle entstehen würden auf der anderen Seite Arbeitsmodelle hervorgebracht, die Fragen einer angemessenen sozialen Absicherung stellen könnten. "Beides gilt es in den Blick zu nehmen", so die Bundesregierung, die allerdings keine konkreten Maßnahmen oder inhaltliche Maßstäbe für diese benennt.

Insgesamt betont die Bundesregierung, dass ethische Leitlinien für einen verantwortlichen digitalen Wandel entwickelt werden müssen, damit ein gutes Zusammenleben in unserer Gesellschaft gewahrt werden kann und die Digitalisierung den Menschen dient.

Der Mensch im Mittelpunkt

Abseits der Chancen, welche die digitale Welt bietet, führen die wachsende Kommunikation und die ständige Erreichbarkeit bereits heute bei vielen Menschen zu psychischen, psychosomatischen und stressbedingten (Folge-)Erkrankungen. Gemeinsam mit den Sozialpartnern muss der Staat einen klaren Rahmen definieren, um dieser Entwicklung zu begegnen. Aufgabe der Sozialpartner ist es, diesen Rahmen - der im Übrigen nicht gänzlich neu erfunden werden muss - auszufüllen. In den Betrieben müssen Vereinbarungen getroffen werden, um zu verhindern, dass die Grenzen zwischen Beruf, Familie und Freizeit aufgehoben werden. Arbeit gehört in die Arbeitszeit und nicht in die Freizeit. Die Digitalisierung bietet den Unternehmen zudem die Möglichkeit, Leistung mehr denn je zu Überwachen - auch diese Entwicklung braucht Grenzen. Darüber hinaus muss in einer beschleunigten Arbeitswelt mehr denn je die Gesundheit der Arbeitnehmenden im Fokus stehen.

Auch im familiären Kontext spielt die Digitalisierung altersunabhängig eine zunehmend größere Rolle. Doch hilft sie dabei, die Familie besser zu vernetzen und Beziehungen zu vertiefen? Oder trägt sie dazu bei, dass wir weniger Zeit miteinander verbringen? Das sind Fragen, die in vielen Familie diskutiert werden. Vielleicht helfen auch hier gemeinsame Vereinbarungen, um zu verhindern, dass die Digitalisierung der Familie Vereinsamung bedeutet.

Möchten wir, dass unsere Großeltern in Zukunft von Robotern gepflegt werden? Mit der Aussicht auf große Gewinne stehen bereits die ersten Unternehmen in den Startlöchern, um diese Vision Realität werden zu lassen. Daher fordert das Kolpingwerk Deutschland eine gesellschaftliche Debatte darüber, wie würdevolles Altern in Zukunft aussehen soll. Pflege, Betreuung, aber auch die Erziehung in der Familie: Familiäre Sorgearbeit wird im Rahmen von persönlichen, liebevollen Beziehungen geleistet und kann durch digitale Technik ergänzt beziehungsweise unterstützt, jedoch nicht ersetzt werden. Auch vor dem Hintergrund der Digitalisierung gilt es daher, familiäre Beziehungen zu unterstützen, beispielsweise durch eine innovative Zeitpolitik. Zeitpolitik für Familien kann die Beziehungen der Familienmitglieder stärken und Familien Zeit schenken. Ein Faktor, der bei den bundespolitischen Diskussionen nur zu leicht in Vergessenheit gerät.

Für KOLPING ist klar, dass Dinge aus Stahl, Kupfer und Silizium auch in Zukunft menschliche Zuwendung nicht ersetzen können. Menschlichkeit und soziale Verantwortung sind nicht austauschbar mit Algorithmen oder Codes. Nicht alles, was technisch möglich ist, darf auch genutzt werden und ist auch an jeder Stelle gewollt. Für das Kolpingwerk Deutschland steht fest: Der Mensch muss auch in Zukunft im Mittelpunkt stehen. Wir setzen uns deshalb dafür ein, die Digitalisierung in positiver, werteorientierter Weise zu gestalten. Die Entwicklungen der Digitalisierung und ihre Auswirkungen dürfen nicht von einigen Wenigen bestimmt, sondern müssen als gesamtgesellschaftliche Aufgabe diskutiert werden.

Köln, den 8. Dezember

Der Bundesvorstand

Kolpingwerk Deutschland
Martin Grünewald, Pressesprecher
St.-Apern-Str. 32, 50667 Köln
Tel.: 0221-20701-110
E-Mail:  martin.gruenewald@kolping.de
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