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Wer groß denkt, kann groß irren!

Wer groß denkt, kann groß irren!
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„Zu Hitler fällt mir nichts mehr ein“ – dieser Kurt Tucholsky zugeschriebene Satz ist vergeblich in seinen Schriften zu suchen, wie ich gelesen habe, aber sinngemäß könnte er es gemeint haben. Er war verzweifelt über die politische Entwicklung in Deutschland vor und nach 1933. Und Erich Kästner schrieb 1946 nach dem Krieg über ihn: „Er wollte eine Katastrophe mit der Schreibmaschine aufhalten.“

Von meiner Verlegerin kam die Anregung etwas über die „deutsche Erbschuld“ im Zusammenhang mit Martin Heidegger zu schreiben. Auch er ließ sich wie Millionen andere bekanntlich betören von den Schalmeienklängen des Nationalsozialismus und sah zeitweise in Adolf Hitler den Retter des Abendlandes vor den Gefahren des Kommunismus. Ja, er glich sich dem selbsternannten „Führer“ auch äußerlich an und ließ sich ein kurzes Schnurrbärtchen oberhalb der Oberlippe stehen. Nach dem Krieg verlängerte er diesen Gesichtsschmuck wieder an den Seiten, wie in einer Ausstellung in seiner Heimatstadt Meßkirch gut dokumentiert ist.

Dieses ihm gewidmete Museum beruht auf sehr guten wissenschaftlichen Forschungen und zeigt ihn, wie er wohl wirklich war: streitbar und umstritten, um es vorsichtig auszudrücken. Bei Nachfrage bei der Aufsicht dort während eines Besuchs meinerseits mit meinem Freund Imre Kiss vor einigen Jahren erfuhren wir, dass leider nur wenige Interessierte sich in dieser Ausstellung einfinden. Das ist schade, denn die Beschäftigung mit Martin Heideggers Philosophie, aber auch mit seinen Wegen und Irrwegen kann uns Einiges lehren. Er selbst hat diese Entwicklung eingestanden, indem er in der Schrift „Aus der Erfahrung des Denkens“ von 1934 seine Fehler erklärt mit den Worten:

„Wer groß denkt, kann groß irren.“ Und so fährt er fort: „Der Irrende muss auch ertragen, dass ihm die Fehler und das Verfehlte und Zwei- und Mehrdeutige …. als das Eigentliche seines `Wollens´ vorgerechnet und damit das Ganze seines Denkens dann verworfen wird“. Es droht also, das ganze Werk an den Irrtümern zu scheitern. Und möglicherweise hat er dies vorhergesehen, als er schon in einer Besprechung aus dem Jahr 1910 den Menschen lobte, der „den Fuß nie auf Irrwege setzte“, und er kommt zu dem rätselhaften Schluss: „Doch, grandes passus extra viam“ – große Fahrten gehen vom Weg ab." Er hat wohl gemeint, es gelte auch, etwas zu riskieren, alles auf eine Karte zu setzen. Doch dieser Versuch, mit den Nationalsozialisten sich zu verbünden, ist gründlich daneben gegangen.

Hannah Arendt, seine frühere Geliebte und spätere Freundin hat den Vergleich mit Platon gezogen, der sich ja auch einem Tyrannen andiente, Dionysios von Syrakus, und bald ebenso sein Scheitern eingestehen musste. Bei Denkern wie Heiddegger war die strukturelle Fehlbarkeit immer möglich, erklärte sie in einem ihrer Vorträge.

Die amerikanische „New York Times“ hat geschrieben, dass fast alle großen Philosophen solchen fatalen Irrtümern aufgesessen sind: „Wenn man die kanonisierten Philosophen infolge ihrer Vorurteile und ihres politischen Engagements auf eine schwarze Liste setzen würde, bliebe nicht viel übrig von der abendländischen Überlieferung. Platon und Aristoteles würden wegen ihres Eintretens für Sklaverei und Nationalismus ausgeschlossen, Augustinus wegen seiner Intoleranz gegenüber Häretikern und `Heiden´, Hegel wegen seiner bedingungslosen Verehrung für Napoleon, in dem er den `Weltgeist zu Pferde´ sah.“. Die Liste ließe sich wohl beliebig verlängern. Einzige rühmliche Ausnahme ist laut Hannah Arendt, Immanuel Kant aus Königsberg.

Mit dem Nationalsozialismus liebäugelten ja auch viele bedeutende Intellektuelle zumindest zeitweilig. Louis Ferdinand Céline schrieb antisemitische Artikel, Knut Hamsun verfasste einen Nekrolog auf Hitler, der Staatsrechtler Carl Schmitt und der Schriftsteller Ernst Jünger gehörten der „konservativen Revolution“ der Zwanziger Jahre an, die die Nazis guthießen. Leni Riefenstahl bannte die Parteitage der NSDAP auf Zelluloid und hatte damit auch einigen Erfolg.

Nun ist es einfach, etwas zu entschuldigen mit dem Hinweis darauf, dass auch Andere zumindest zeitweise diesem Ungeist verfallen waren. Manche gehen dazu über, zwischen Werk und Biographie zu trennen. Dies ist sicher eine Möglichkeit. Allzu oft werden Verfehlungen großer Künstler bekannt, die ihre Arbeit zu diskreditieren drohen. Dass Martin Heidegger mit den Nationalsozialisten anbandelte, sei eine Chance für das Denken, hat einmal ein origineller Kopf gesagt. Die Vergötzung des Philosophen schwäche sich ab und der kritische Dialog werde umso fruchtbarer sein, je weniger er in Hass verfällt. Gottfried Benn musste sich auch nach dem Krieg rechtfertigen dafür, dass er den Nationalsozialisten nahe gestanden hatte. Er schrieb 1949:

„.. auch heute bin ich der Meinung, dass der Nationalsozialismus ein echter und tiefangelegter Versuch war, das wankende Abendland zu retten. Dass dann ungeeignete und kriminelle Gewichte das Übergewicht bekamen, ist nicht meine Schuld und war nicht ohne weiteres vorauszusehen.“

Schon Goethe hat sich mit diesem Phänomen der menschlichen Fehlbarkeit in einem Gedicht auseinandergesetzt und an die Götter gewandt geschrieben: „Ihr schickt ins Leben uns hinein, ihr lasst den Menschen schuldig werden, dann überlasst Ihr ihn der Pein, denn alle Schuld rächt sich auf Erden.“ Solche Erfahrungen hat wohl auch der Dichterfürst selbst gemacht, er soll ja auch einmal bei einem Todesurteil für eine Kindsmörderin mitgewirkt haben. Wir sehen, wir laden alle Schuld auf uns und Voltaire hat einmal geschrieben: „Wir alle sind gemacht aus Fehlern, und es ist an uns, sie uns zu verzeihen.“ Die Kunst besteht darin, mit den Unvollkommenheiten zu leben, mit denen der anderen und den eigenen, hat einmal auch der heilige Franz von Sales sinngemäß geäußert.

Manche fordern einen Schlussstrich unter die Beschäftigung mit dem Dritten Reich, sie beklagen einen angeblichen „Schuldkult“. Erinnerungsorte wie die Konzentrationslager müssen sich rechtfertigen für die öffentliche Unterstützung ihrer Arbeit. Doch gilt es, immer wieder den Satz zu wiederholen: „Wer sich seiner Vergangenheit nicht erinnert, ist dazu verdammt, sie zu wiederholen.“ Für persönliche Schuld haben die Katholiken die Beichte, politisches allgemeines Versagen erfordert öffentliche Bewusstmachung. Der ehemalige Bundespräsident Theodor Heuss hat sich gegen den Begriff der „Kollektivschuld“ gewandt und von „Kollektivscham“ gesprochen. Diese gilt es, weiter aufrecht zu erhalten.

Sind Sie neugierig geworden und wollen mehr? Kontaktieren Sie uns gerne. Wir freuen uns auf Sie.

Herzlichst Ihr

Markus Herrmann

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