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Wirtschaftstag der Volksbanken und Raiffeisenbanken im Zeichen von politischer und ökonomischer Transformation

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Wirtschaftstag der Volksbanken und Raiffeisenbanken im Zeichen von politischer und ökonomischer Transformation – Joachim Gauck: „Kurs halten trotz Erschütterung.“

Die Bedeutung tiefgreifender Veränderungsprozesse in Deutschland, Europa und weltweit lieferte den Spannungsbogen für den diesjährigen Wirtschaftstag der Volksbanken und Raiffeisenbanken. “Wir Europäer werden uns niemals mit einer Welt abfinden, in der Gewalt über Recht gestellt wird“ – dieses Statement des Luxemburgers Jean Asselborn, dienstältester Außenminister der Europäischen Union, war eine der zentralen Aussagen. Bundespräsident a.D. Joachim Gauck hob hervor, „wie wichtig eine Kultur der mittelständischen Unternehmen ist: das heißt Verantwortung zu übernehmen und zu tragen und nicht darunter zu leiden.“ Beide sprachen vor 2.200 Teilnehmer*innen auf einem der größten deutschen Unternehmer*innentreffen in der Jahrhunderthalle in Frankfurt-Höchst. „Ideen für neue Wege: Deutschland trotzt den Krisen“ lautete das Motto der Veranstaltung.

Asselborn: Schengener Abkommen ist große Errungenschaft

„Die EU hat bewiesen, dass sie standhaft und geeint sein kann“, sagte Asselborn mit Blick auf den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine. „Elf weitreichende Sanktionspakte wurden in Rekordtempo gemeinsam verabschiedet und umgesetzt.“ Sein zweites großes Thema war der Binnenmarkt, „immer noch der größte Absatzmarkt der deutschen Wirtschaft.“ Die mit dem Schengener Abkommen verbundene Freizügigkeit in Europa bezeichnete er als „eine der größten Errungenschaften des europäischen Integrationsprozesses. Nur wenn es keine Grenzkontrollen gibt, kann der Binnenmarkt seine Potentiale entfalten.“

KI ist neuer „I-Phone-Moment“

Als Duo für den Aufschwung standen „Energie und KI“ auf dem Programm. Die Vorstandsvorsitzende der Westenergie AG Katherina Reiche prognostizierte „Energie bleibt bei uns teurer als anderswo in der Welt, weil das Pipeline–Gas nicht mehr fließt.“ 2030 drohe eine Stromlücke von 30 Gigawatt in Deutschland, weil mit Kohle und Atom auf gesicherte Energie verzichtet, aber noch nicht ausreichend Erneuerbare Energie zur Verfügung stehen werde. Reiche setzt für die Zukunft im Mix mit erneuerbaren Energien nicht zuletzt auf Wasserstoff: „Wir müssen dringend eine entsprechende Infrastruktur aufbauen, auch um möglichst unabhängig von Wasserstoff-Importen zu werden.“ IBM Deutschland-Geschäftsführerin Christine Rupp sieht in der KI einen „neuen I-Phone Moment und damit eine dritte industrielle Revolution.“ Generative KI werde als zentrale Anwendungsfelder u.a. HR, Kundeninteraktionen und den Bereich Coding/Programmierung massiv verändern. Auch die Nachhaltigkeit könne positiv beeinflusst werden. Als Beispiel nannte sie die KI-Plattform ORIS für den Straßenbau, die einen um 50 % reduzierten Co2-Ausstoß ermögliche. Bei der Digitalisierung sei Deutschland allerdings nur Mittelmaß: „Es ist 5 vor 12 - wir dürfen den Anschluss nicht verpassen“, warnte Christine Rupp.

Mobilität: Verkehrsträger nicht gegeneinander ausspielen

Um „Transformation und nachhaltige Mobilität“ ging es in einer Gesprächsrunde mit Anne Rethmann, Geschäftsführerin Finanzen der Autobahn GmbH des Bundes, Hui Zhang, Vice President der NIO Group und Dr. Sandra Wolf, geschäftsführende Gesellschafterin des Bike-Herstellers Riese & Müller GmbH. Vor 30 Jahren von zwei begeisterten Radfahrern gegründet geht es der Riese & Müller GmbH „um Alltagsmobilität ohne das Auto: Was können wir tun, um Innenstädte zu entlasten? Das E-Bike ist ein Changemaker für die neue Mobilität“, ist Riese überzeugt, die auf der Bühne mehrere Modelle, darunter ein Lasten-E-Bike präsentierte. Über die Reichweite müsse man sich inzwischen keine großen mehr Gedanken machen. Die chinesische NIO Group ist auf die Fertigung von Elektroautos spezialisiert. Hui Zhang fuhr mit einem Auto seines Unternehmens auf die Bühne: „Wir wollen Convenience anbieten für die Kunden, die von einem Verbrenner auf Elektro umsteigen wollen. Das geschieht mit Wechselstationen, wo innerhalb von Minuten die Batterie ausgetauscht werden kann.“ Weltweit solle in den nächsten Jahren eine Infrastruktur dieser Wechselstationen entstehen, wie es sie in China bereits gebe. Anne Rethmann nahm zu Prioritäten für den Autobahnausbau Stellung: „Artenschutz und Gewässerschutz gehören ebenso dazu wie eine Basis für die Elektrifizierung zu schaffen mit Ladepunkten alle 30 km, auch für LKW.“ Denn der Güterverkehr werde weiter deutlich wachsen. Verkehrsträger dürften nicht gegeneinander ausgespielt werden, sondern es gelte den kombinierten Verkehr Schiene/Straße zu verbessern.

Eintreten für Pragmatismus, mehr Planungssicherheit – und Beschleunigung

Über „Wirtschaftswachstum und Demokratie in instabilen Zeiten“ diskutierten Dirk K. Martin, Landesvorsitzender von „Die Familienunternehmer“ in Hessen, Christoph Schmitz, Mitglied des Bundesvorstands von ver.di und Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Hans-Werner Sinn. „Wir haben eine Situation, wo in diesem Land ein ideologischer Überbau existiert, der sich gelöst hat von der realen Basis und den Menschen“, lautet die Diagnose des Wirtschaftswissenschaftlers, der eine De-Industrialisierung Deutschlands beklagte. Gewerkschaftsvertreter Schmitz forderte, „Entwicklungen die sich nicht aufhalten lassen, sollte man nicht beklagen, sondern sie mitgestalten.“ Die Gewerkschaften spielten hier bei dem Ausstieg aus Kernenergie und Kohle eine konstruktive Rolle. „Wir müssen enkelfähig sein“, unterstrich Familienunternehmer Martin, „damit auch nachkommende Generationen die Betriebe weiterführen können.“ Angesichts der aktuellen multiplen Krisen gebe die Politik aber dafür die falschen Antworten. Das Eintreten für Pragmatismus, mehr Planungssicherheit – und Beschleunigung seitens der Politik waren ein gemeinsamer Nenner der Diskutanten.

„Erforderlich ist nicht Alarmismus, als wären wir in Weimar“

Bundespräsident a. D. Joachim Gauck betonte, es gelte „Kurs zu halten in schwierigen Zeiten trotz Erschütterungen. Sind die Bürger überhaupt willens eine Bedrohung so wahrzunehmen wie sie ist und mit Verteidigungsbereitschaft zu reagieren?“, fragte er mit Bezug auf die aktuelle russische Politik. Man müsse bereit sein, Positionen zu überdenken. So habe der in den 70er Jahren von Deutschland unter Willy Brandt eingeleitete Prozess des Wandels durch Annäherung zunächst zu Erfolgen geführt. Dieses Konzept habe sich später zum Appeasement verändert. „Eine Entspannungspolitik, die das übernimmt, was unsere Gesprächspartner sich wünschen, war dann nach der Wiedervereinigung Deutschlands das Leitbild mehrerer deutscher Bundesregierungen.“ Solches Wunschdenken dürfe heute keine entscheidenden Maßnahmen mehr verhindern. Die in Frage gestellte liberale Demokratie ist eine weitere Sorge, die Joachim Gauck umtreibt: „Was ist denn in Deutschland los mit den Menschen, wenn sie rechte bzw. autoritäre Lösungen suchen? Erforderlich ist nicht Alarmismus, als wären wir in Weimar. Aber: Konservative Lebensgefühle dürfen nicht verächtlich gemacht werden – darauf muss man sich gesellschaftlich verständigen können. Andernfalls profitiert das rechte Lager.“

In der Eröffnungsrede des Wirtschaftstags hatte der Vorstandsvorsitzende des Genossenschaftsverbandes, Ingmar Rega, an die Politik appelliert, die Zukunftsfähigkeit des Wirtschafts- und Finanzstandorts Deutschland im europäischen Vergleich zu sichern und damit eine zentrale Forderung für die folgenden Stunden artikuliert. Der Mittelstand „als Stütze der Volkswirtschaft bleibt ein Lichtblick für den Standort Deutschland“, gab er den Rednern und Diskutanten mit auf den Weg. Sein Fazit am Schluss der Veranstaltung lautete: „Es war beeindruckend, was wir an Innovation und Technologie gesehen haben. Dafür steht der Mittelstand. Der Wirtschaftstag hat Mut gemacht, Verantwortung zu übernehmen und auch in den Unternehmen für demokratische Werte einzutreten.“

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Mit freundlichen Grüßen
i. V. Dr. Volker Hetterich
Genossenschaftsverband – Verband der Regionen e.V.
Bereich Kommunikation & Change, Pressesprecher
Wilhelm-Haas-Platz, 63263 Neu-Isenburg
Telefon: +496969783163
Mobil: +491726957384
E-Mail:  volker.hetterich@genossenschaftsverband.de
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