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Engpässe bei Arzneimitteln bereiten EU weiter Kopfschmerzen

Engpässe bei Arzneimitteln bereiten EU weiter Kopfschmerzen
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Pressemitteilung

Luxemburg, 17. September 2025

Engpässe bei Arzneimitteln bereiten EU weiter Kopfschmerzen

  • Zahl der von EU-Ländern gemeldeten Arzneimittelengpässe 2023 und 2024 auf Rekordhöhe.
  • Europäische Arzneimittel-Agentur half, Auswirkungen abzufedern.
  • Wirksames System zur Behebung eines kritischen Medikamentenmangels weiter nicht vorhanden.

Seit einigen Jahren kommt es in der EU immer wieder zu Engpässen bei der Arzneimittelversorgung, aber bislang fehlt ein gut funktionierendes System, um das Problem in den Griff zu bekommen. Dies geht aus einem aktuellen Bericht des Europäischen Rechnungshofs hervor. Zwar hätten sich die zuletzt von der EU ergriffenen Gegenmaßnahmen als hilfreich erwiesen, doch gebe es nach wie vor strukturelle Probleme, und bei der Ursachenbekämpfung stehe man noch ganz am Anfang. Da es noch einige Zeit dauern könne, bis die Maßnahmen anschlügen, bestehe weiterhin die Gefahr, dass bestimmte Arzneimittel – darunter auch gängige Antibiotika und andere lebenswichtige Pharmazeutika – in Europa nicht verfügbar seien.

Zu Engpässen kann es bei allen Arten von Arzneimitteln kommen, etwa bei innovativen patentierten Arzneimitteln, patentfreien Generika und Impfstoffen. Kritisch wird ein Engpass, wenn es in einem Land keine geeigneten Alternativen gibt und der Mangel nur mit Hilfe der EU beseitigt werden kann. In der EU wurden die meisten Engpässe in den Jahren 2023 und 2024 gemeldet, wobei die EU-Länder zwischen Januar 2022 und Oktober 2024 bei 136 Arzneimitteln einen kritischen Mangel verzeichneten.

"Arzneimittelengpässe können schwerwiegende Folgen für die Patienten haben, die öffentliche Gesundheit gefährden und sind für Ärzte, Apotheken und Länder mit hohen Kosten verbunden", so Klaus-Heiner Lehne, der als Mitglied des Europäischen Rechnungshofs für die Prüfung zuständig war. "Die EU braucht eine wirksame Lösung zur Behebung kritischer Engpässe. Dazu muss sie das Problem an der Wurzel packen. Dies ist auch für die strategische Autonomie Europas von großer Bedeutung."

Die EU-Prüfer stellten fest, dass das System zur Verhinderung und Abfederung kritischer Arzneimittelengpässe verbessert werden muss, da die rechtlichen Rahmenbedingungen unzureichend sind und Informationen, die ein Eingreifen ermöglichen, nicht rechtzeitig vorliegen. Die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA) habe in den vergangenen Jahren eine immer wichtigere Rolle gespielt, insbesondere während der Corona-Pandemie, und durch Koordinierung dazu beigetragen, die Auswirkungen von Engpässen zu verringern. Allerdings sei sie immer noch nicht rechtlich befugt, die EU-Länder auch jenseits von Gesundheitskrisen zu unterstützen. Zudem werde sie nicht ausreichend über Engpässe informiert, um diese verhindern zu können. Auch um bestehenden Engpässen laufend entgegenzuwirken, fehlten der EMA die nötigen Daten, da sie von der Pharmaindustrie häufig erst spät und nur unvollständig informiert werde.

Die EU-Kommission habe unterschiedliche Ursachen für die Engpässe ausgemacht, wie z. B. Schwachstellen in den Lieferketten. So sei die Produktion – insbesondere von Antibiotika und Schmerzmitteln – größtenteils nach Asien ausgelagert worden. Bei der Bewältigung dieser Probleme, die kaum begonnen habe, stehe man vor vielen Hürden. Beispielsweise habe die Verpflichtung der Pharmaindustrie, eine kontinuierliche Versorgung mit Medikamenten zu gewährleisten, in der Praxis nicht viel genützt. Angesichts zunehmenden Mangels hätten viele EU-Länder begonnen, Arzneimittel zu horten. Mit der möglichen Folge, dass sich Engpässe anderswo verschärfen, da sich die Länder nicht untereinander abstimmten. Dass es nun erstmals eine EU-weite Liste kritischer Arzneimittel gebe, sei zwar ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung, doch garantiere eine solche Liste noch keine bessere Verfügbarkeit. Die Prüfer stellten sogar fest, dass bei einigen der aufgelisteten Medikamente ein bedrohlicher Mangel herrschte.

Der EU-Binnenmarkt für Arzneimittel sei zersplittert, was deren freien Handel und Verfügbarkeit einschränke, sodass nicht alle Bürger den gleichen Zugang zu Medikamenten hätten. Die meisten davon würden auch nur für einzelne Länder zugelassen. Selbst für die gesamte EU zugelassene Arzneimittel seien nicht in allen Ländern erhältlich. Auch gebe es von Land zu Land unterschiedliche Arzneimittelpackungen. Die EU-Kommission habe nicht dafür gesorgt, dass Hemmnisse im EU-weiten Handel beseitigt werden. Folglich sei es schwierig, Arzneimittel umzuverteilen, um Engpässe zu vermindern.

Die EU-Kommission habe zwar erste Schritte unternommen, indem sie eine Änderung bestimmter EU-Vorschriften vorgeschlagen habe. Durch diese Neuregelungen könnte das System erheblich verbessert werden. Allerdings warnen die Prüfer, dass dies möglicherweise nicht alle Probleme lösen würde. So müsse auch dafür gesorgt werden, dass Engpässe rechtzeitig gemeldet würden und die Pharmaindustrie im Falle eines kritischen Mangels entsprechend entgegensteuere.

Hintergrundinformationen

Die EU-Länder haben freie Hand bei der Gestaltung der Gesundheitsversorgung. Gleichzeitig sind sie die größten Arzneimittelkäufer in der EU. Die Gesundheitsausgaben liegen in den einzelnen EU-Ländern zwischen 5,5 % und 12,6 % des BIP. Im Jahr 2022 gaben diese insgesamt 1 648 Milliarden Euro für die Gesundheitsversorgung aus. Die EU-Kommission und die EMA unterstützen die EU-Länder und sorgen dafür, dass der Binnenmarkt für Arzneimittel gut funktioniert. Die von der EU-Kommission vorgelegten Vorschläge – unter anderem für ein Gesetz über kritische Arzneimittel aus dem Jahr 2025 und für ein neues Arzneimittelrecht aus dem Jahr 2023 – werden derzeit noch von den EU-Gesetzgebern geprüft. Die Pharmaindustrie ist für eine kontinuierliche Versorgung mit Medikamenten verantwortlich. Seit 2015 wurden 629 Arzneimittel für die gesamte EU zugelassen. Allerdings sind in den einzelnen EU-Ländern nur 107 (Malta) bis 521 (Deutschland) dieser Arzneimittel erhältlich, wobei erhebliche Preisunterschiede zwischen den Ländern bestehen. Zudem sind die Marktpreise nicht transparent.

Der Sonderbericht 19/2025 "Kritischer Arzneimittelengpass: EU-Maßnahmen brachten einen Mehrwert, strukturelle Probleme bleiben jedoch bestehen" sowie ein Kurztext mit den wichtigsten Fakten und Feststellungen stehen auf der Website des Europäischen Rechnungshofs zur Verfügung.

Pressekontakt

Pressestelle des Europäischen Rechnungshofs: press@eca.europa.eu

Damijan Fišer: (+352) 621 552 224

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