Europäischer Rechnungshof - European Court of Auditors
Pressemitteilung: EU-Handelshilfe für die ärmsten Länder verfehlt Zielmarke
- Der EU-Strategie für Handelshilfe fehlen konkrete Ziele.
- Der geplante Förderanteil von 25 % bis 2030 lässt sich wohl nicht erreichen.
- Geprüfte Projekte entsprachen dem Bedarf, die Informationen über die Gesamtwirkung der EU-Unterstützung sind aber lückenhaft.
Die EU wird ihr Ziel, bis 2030 25 % ihrer Handelshilfen den am wenigsten entwickelten Ländern zukommen zu lassen, voraussichtlich nicht erreichen. Dies geht aus einem aktuellen Bericht des Europäischen Rechnungshofs hervor. Um dem Bedarf dieser Länder besser gerecht zu werden, war die zugrunde liegende Strategie im Jahr 2017 aktualisiert worden. Allerdings sei nie in einem Aktionsplan festgelegt worden, wie das Finanzierungziel erreicht werden soll, weswegen die EU und ihre Mitgliedstaaten sich schwer damit täten, gemeinsam darauf hinzuarbeiten. Der Anteil der Gelder für die ärmsten Länder sei in letzter Zeit sogar gesunken, anstatt zu steigen.
In den Entwicklungsländern ist der Handel – insbesondere der grenzüberschreitende Handel – wichtig für Wachstum, das Millionen von Menschen aus der Armut führen kann. Die am wenigsten entwickelten Länder stehen jedoch vor erheblichen Hindernissen beim Zugang zum regionalen und globalen Handel. Dazu gehören etwa fehlende Produktionskapazitäten, Handelshürden in Form von Regulierungs-, Verwaltungs- und Regierungsverfahren, ein schwaches Geschäftsumfeld, eine schlechte Infrastruktur, das Fehlen eines funktionalen Normungs- und Ausfuhrzertifizierungssystems, instabile institutionelle Rahmenbedingungen sowie ein schwieriger und kostspieliger Zugang des Privatsektors zu Finanzierungen.
Das Handelshilfeprogramm der EU trifft auf ein komplexes Umfeld mit vielen Beteiligten. Eine koordinierte Umsetzung auf allen Ebenen und eine starke Eigenverantwortung des Partnerlandes sind daher für den Erfolg von entscheidender Bedeutung.
"Es ist sehr unwahrscheinlich, dass die EU ihr Finanzierungsziel von 25 % bis 2030 erreichen wird", so Bettina Jakobsen, das für die Prüfung zuständige Mitglied des Rechnungshofs. "Die Gründe dafür müssen eingehend untersucht werden. Auf dieser Grundlage sollte dann erneut bewertet werden, ob das Ziel noch angemessen ist und ob ein Aktionsplan mit konkreten und realistischen Etappenzielen erstellt werden sollte.“
Zwischen 2017 und 2022 hätten die EU und ihre Mitgliedstaaten im Rahmen des Handelshilfeprogramms zwar 17,2 Milliarden Euro für die am wenigsten entwickelten Länder bereitgestellt, doch sei dies nur ein Bruchteil der insgesamt 105,8 Milliarden Euro, die anderen Entwicklungsländern zur Verfügung gestellt worden seien. Der Anteil der Handelshilfe für die am wenigsten entwickelten Länder sei sogar von 18 % (2010–2015) auf magere 12 % im Jahr 2022 zurückgegangen. Nach Einschätzung der Prüfer hat die EU-Kommission keine detaillierte Analyse der Gründe für diesen Rückgang vorgenommen, obwohl eine solche Analyse die Planung von Korrekturmaßnahmen ermöglichen würde.
Im Rahmen der Prüfung, die den Zeitraum 2017 bis 2024 betraf, wurden neun Projekte in Ruanda, Malawi, Angola und Kambodscha untersucht. Die Prüfer stellten fest, dass die untersuchten Projekte erfolgreich umgesetzt wurden und im Allgemeinen zur Steigerung des Handelspotenzials der Länder beitrugen. Sie weisen jedoch darauf hin, dass die Länder diese Erfolge möglicherweise nicht nutzen können, um so die wirtschaftliche Nachhaltigkeit der Projekte sicherzustellen.
Zwar habe die EU-Kommission – eingehend auf die in der 2017 überarbeiteten Strategie geforderte ergebnisorientiertere Herangehensweise – Fortschritte bei der Überwachung und ihrer Berichterstattung über Ergebnisse und Auswirkungen der EU-Handelshilfe gemacht, aber Letztere weise nach wie vor Lücken auf. Dadurch sei es nur bedingt möglich, die allgemeine Wirksamkeit der Projekte zu bewerten.
Insgesamt fordern die Prüfer eine bessere Abstimmung zwischen den EU-Delegationen (Vertretungen der EU im Ausland) in den jeweiligen Ländern und denjenigen mit überregionalen Zuständigkeiten, um sicherzustellen, dass die Unterstützung auf den spezifischen Bedarf der einzelnen Länder abgestimmt ist.
Hintergrundinformationen
Im Dezember 2005 rief die Welthandelsorganisation die Initiative "Aid for Trade" ins Leben. Sie soll die Entwicklungsländer, insbesondere die am wenigsten entwickelten Länder, beim Aufbau der Handelskapazitäten und -infrastrukturen unterstützen, die sie benötigen, um von der Handelsöffnung zu profitieren. Im Jahr 2007 verabschiedete die EU dann eine eigene Strategie für Handelshilfe, die 2017 aktualisiert wurde. Sie zielte unter anderem darauf ab, den Anteil der gemeinsamen Handelshilfe der EU und ihrer Mitgliedstaaten, die für die am wenigsten entwickelten Länder bestimmt ist, bis 2030 schrittweise auf 25 % zu erhöhen.
Derzeit werden 44 Länder als am wenigsten entwickelte Länder eingestuft. Dort leben rund 880 Millionen Menschen, die 12 % der Weltbevölkerung ausmachen. Diese Länder liegen in erster Linie in Afrika (32 Länder), gefolgt von Asien (acht Länder), dem pazifischen Raum (drei Länder) und dem karibischen Raum (ein Land). Auf sie entfallen jedoch nur 1 % der weltweiten Exporte und weniger als 2 % des weltweiten Bruttoinlandsprodukts (BIP). Mehr als 75 % ihrer Bevölkerung leben nach wie vor in Armut.
Der Sonderbericht 17/2025 "EU-Handelshilfe für die am wenigsten entwickelten Länder" sowie ein Kurztext mit den wichtigsten Fakten und Feststellungen stehen auf der Website des Europäischen Rechnungshofs zur Verfügung.
Pressekontakt
Pressestelle des Europäischen Rechnungshofs: press@eca.europa.eu