CDU/CSU-Bundestagsfraktion
Lamers: Italien wird europafreundlich
bleiben
Berlin (ots)
Zu der aktuellen Debatte um die italienische Europa-Politik erklärt der außenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Karl Lamers MdB, in einem morgen erscheinenden Interview mit der italienischen Tageszeitung "La Stampa":
Frage:
Hans-Dietrich Genscher wertete den Rücktritt des italienischen Außenministers Renato Ruggiero als äußerst negatives Signal für Gesamteuropa, da innenpolitische Entscheidungen nunmehr europaweite Konsequenzen hätten. Stimmen Sie dem zu?
"Grundsätzlich hat Hans-Dietrich Genscher zweifelsfrei recht. Wir alle sitzen längst wirklich in einem Boot. Alle müssen rudern und zwar im gleichen Takt. Ob im aktuellen Falle Befürchtungen gegenüber Italien berechtigt sind, wird die nächste Zeit zeigen."
Frage:
Glauben Sie, dass durch den Rücktritt Ruggieros der europapolitischen Kontinuität Italiens Abbruch geleistet wird?
"Wenn die Italiener an ihre wohlverstandenen nationalen Interessen denken, wird das nicht der Fall sein. Die Vorteile, die gerade dieses Land aus seiner europäischen Einbettung erfährt, sind nicht bedeutend größer als die anderer Mitglieder der EU, aber sie sind gewissermaßen unmittelbarer und anschaulicher. So vor allem die jährliche Einsparnis von 30 Mrd. ¤ Zinsaufwendungen für die Staatschuld durch die Mitgliedschaft Italiens in der Währungsunion."
Frage:
Das Ausscheiden Ruggieros bestärkt auch jene Stimmen, die Italiens Regierung einer allzu proamerikanischen Politik bezichtigen. Kann man die derzeitige italienische Politik Ihres Erachtens in die Begriffe Proamerikanismus - Antieuropeismus fassen?
"Eine solche Gegenüberstellung ist völlig blödsinnig. Wir, d.h. Europa und Amerika bilden zusammen den Westen. Dessen noch dominierende Stellung in der Welt ist jedoch herausgefordert. Wir müssen gemeinsam eine Antwort geben. Wenn aber Europa Einfluss nehmen will auf diese gemeinsame Strategie, dann muss es mit einer Stimme sprechen. Wer das nach dem 11. September immer noch nicht begriffen hat, dem ist nicht zu helfen. Weder die Nato, noch die EU, geschweige denn ein einzelnes europäisches Land - auch nicht Großbritannien - wirken mit bei der amerikanischen Antiterrorstrategie. Die Folgen aber tragen wir alle mit. Siehe Afghanistan, aber auch Amerika braucht einen starken Partner, keine viele kleinen Vasallen."
Selbst wenn man Berlusconis Politik nicht vorbehaltlos als anti-europäisch bezeichnen kann, so macht sich doch ein eindeutig nationaler Zug in seiner Europapolitik bemerkbar, wie die Ereignisse um Laeken und den airbus und nicht zuletzt der Rücktritt Ruggieros belegen.
"Der 'nationale Zug' scheint mir Ausdruck des Wunsches zu sein, ernster in der Europäischen Union genommen zu werden, als man das Gefühl hat tatsächlich genommen zu sein. Ich gebe zu, dass mir diese Empfindung nicht ganz unverständlich ist, angesichts etwa des Treffens der sogenannten 'Drei Großen' in Paris vor einigen Wochen. Aber das unzulängliche politische Gewicht Italiens in der Vergangenheit beruhte letztlich nicht auf einer Geringschätzung Italiens durch die anderen, sondern auf seiner inneren politischen Instabilität. Ob man mit den von Ihnen erwähnten Maßnahmen oder gar mit dem Nicht-Empfang des spanischen Außenministers als Vertreter der Ratspräsidentschaft Italien mehr Achtung verschaffen kann, muss man bezweifeln."
Frage:
Wie reagiert die EVP auf diesen italienischen Sonderweg?
"Die EVP glaubt nicht, dass Italien einen Sonderweg einschlagen wird, der nicht mit ihrem Programm vereinbar wäre. Es handelt sich wohl eher um Abstimmungsprobleme innerhalb der Regierung. Berlusconi wird meiner Überzeugung nach am Montag Klarheit schaffen."
Frage:
Können Sie das Reformkonzept der europäischen Konservativen kurz darstellen; oder wie glauben Sie kann man der euroskeptischen Auffassung entgegentreten, daß die europäische Integration den Nationalstaaten viel eher von Schaden als von Nutzen sei?
"Wir müssen aus der EU eine alle Bereiche der Politik umfassende politische Union machen. Wir müssen es tun, um die Wirtschaft- und Währungsunion endgültig zum Erfolg zu machen, d.h. um eine gleichgerichtete strukturelle Reformpolitik betreiben zu können, wir müssen es tun, um unsere vitalen Interessen in der Welt erfolgversprechend vertreten zu können (siehe oben). Wir müssen es tun, um die Chancen zu nutzen und die Risiken zu meiden, die mit der Erweiterung der Union auf 25 Mitglieder verbunden sind. Das ist die Aufgabe des Verfassungskonventes, der in Laeken beschlossen wurde. In der Debatte über einen europäischen Verfassungsentwurf werden wir noch einmal verdeutlichen, wir werden beweisen, dass zwischen Europa und Nation nicht nur kein Gegensatz besteht, sondern im Gegenteil, Europa das einzige Mittel zur Wahrung der nationalen Interessen ist und um den Wesensgehalt von Nation in der globalisierten Wirklichkeit des 21. Jh. zu bewahren. Das wird nur gelingen, wenn sich alle politisch Verantwortlichen bewusst sind, dass das Ganze mehr ist, als die Summe seiner Teile, d.h. dass die Mitglieder der Union nur gedeihen, wenn alle und das Ganze gedeiht."
Frage:
Wird es Ihres Erachtens bezüglich des europäischen Strukturfonds zu einem italienisch-spanischen Verbündnis kommen?
"Ich hoffe, dass es nicht dazu kommt. Wenn dieser Egoismus den Spanien an den Tag legt, Zuspruch findet, dann hat die EU wirklich keine Zukunft mehr. Wenn die EU keine Zukunft hat, dann haben auch Spanien, Italien und Deutschland keine Zukunft. Natürlich, man kann über Übergangsfristen und Auslaufphasen reden, aber wenn wir nicht über den nationalen Tellerrand hinausschauen, dann haben wir alle keine Chance mehr. Das ist das eigentlich Problem Spaniens. Ich hoffe, dass Italien sich nicht auch auf solch einen Weg begibt."
Das Gespräch führte Francesca Sforza, Deutschland-Korrespondentin der italienischen Tageszeitung "La Stampa"
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