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++ BUND zum Gutachten des Expertenrats für Klimafragen: Politik auf Kollisionskurs mit dem Klima ++

Pressemitteilung

15. Mai 2025 | 047

BUND-Pressestelle

Tel.: 030 - 27586 - 109

presse@bund.net

BUND zum Gutachten des Expertenrats für Klimafragen: Politik auf Kollisionskurs mit dem Klima

Lebensgrundlagen in Gefahr: Ohne effektive Maßnahmen droht die Verfehlung der Klimaziele

  • Deutschland nicht auf Klimakurs – robustes Klimaprogramm unverzichtbar
  • Verkehr und Gebäude Bremsklotz im Klimaschutz
  • Erneuerbare Energien Erfolgsfaktor im Kampf gegen die Klimakrise

Berlin. Der Expertenrat für Klimafragen hat heute seinen Prüfbericht zur Emissionsentwicklung vorgelegt. Die Lücken in der Klimaschutzpolitik werden damit erneut deutlich: Deutschland hält die rechtlich verbindlichen Klimaziele nicht ein, weder für das Jahr 2030, noch für die Jahre bis 2040. Die europäischen Ziele für die Sektoren Gebäude und Verkehr werden ebenso deutlich verfehlt. Die schwache Konjunktur und die Erneuerbaren Energien sind ausschlaggebend dafür, dass das Klimabudget bis 2030 überhaupt eingehalten werden kann. Um die Emissionen nachhaltig und zielkonform zu senken, braucht es jetzt schnell effektive Maßnahmen. Das Gutachten beschreibt aus Sicht des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) daher einen klaren Handlungsauftrag für die neue Bundesregierung und ihr Klimaschutzprogramm.

Verena Graichen, Geschäftsführerin Politik beim BUND: „Die Politik ist auf Kollisionskurs mit dem Klima. Die Ankündigungen im Koalitionsvertrag bringen noch keinen nennenswerten Fortschritt. Klimaschutz muss Priorität für jede Bundesregierung haben, denn nur so wird Deutschland zukunftssicher. Die Koalition hat den gesetzlichen Auftrag und den finanziellen Spielraum, dieses Land auf Klimakurs zu bringen und unsere Lebensgrundlagen zu schützen. Wir erwarten ein robustes Klimaschutzprogramm als Aufbruchssignal für Wirtschaft und Gesellschaft. Es braucht ein Programm, das wirksame Maßnahmen vor allem für Gebäude und Verkehr festlegt, diese mit Geld hinterlegt und sozial ausgewogen gestaltet. Der naturverträgliche Erneuerbaren-Ausbau muss verstärkt weitergehen.“

Vor dem Hintergrund, dass Klimaschutz im Koalitionsvertrag wenig gewürdigt wurde und zentrale klimapolitische Maßnahmen rückabgewickelt werden sollen, warnt der Umweltverband vor einem klimapolitischen Fehlstart der neuen Regierung. Auch der Expertenrat warnt vor den klimapolitischen Risiken etwa durch die mögliche Aufweichung des „Heizungsgesetzes“ oder mehr Autoverkehr durch Straßenbau und Pendlerpauschale:

Graichen: Rückschritte beim Klimaschutz führen aufs wirtschaftliche Abstellgleis. Der Ausstieg aus fossilen Energien ist die zentrale Aufgabe, um Klimaneutralität zu erreichen. Der Stromsektor liefert, alle anderen Bereiche hinken deutlich hinterher. Deshalb muss konsequent weiter in Erneuerbare Energien und Effizienz investiert werden, nicht in zu viele Gaskraftwerke, in fossile Heizungen oder Ablenkungsmanöver wie CCS-Technologie.“

Angesichts der Neustrukturierung der Klimapolitik unter Schwarz-Rot und der notwendigen Investitionen, fordert der BUND eine gemeinsame Anstrengung des Kabinetts Merz.

Graichen: „Es liegt in der Gesamtverantwortung der Bundesregierung, die nötigen Maßnahmen zu ergreifen und klug in Klimaschutz und künftigen Wohlstand zu investieren. Deshalb braucht es jetzt ein Klimakabinett unter Führung des Bundeskanzlers, um die klimafreundliche Modernisierung des Landes voranzubringen. Das Klimaschutzprogramm muss durch einen transparenten und konstruktiven Beteiligungsprozess gesellschaftlich unterfüttert werden. Im Herbst müssen die Ministerien ihre Vorschläge vorlegen und wird der Bundeshaushalt voraussichtlich verabschiedet werden. Wir werden die Regierung an ihren Taten messen.“

Verkehr und Gebäude: Bremsklotz im Klimaschutz

Besonders alarmierend sind aus Sicht des BUND die Emissions-Prognosen in den Bereichen Verkehr und Gebäude. Mit Blick auf 2030 hat sich die Klimaschutz-Lücke im Gebäudebereich im Vergleich zu den Projektionen des letzten Jahres mehr als verdreifacht. Der Expertenrat geht sogar davon aus, dass die Emissionen noch höher ausfallen. Im Verkehrsbereich werden die zulässigen Jahresemissionsmengen, trotz eines leichten Rückgangs der Gesamtlücke, massiv überschritten. Brisant sind die hohen Treibhausgasemissionen bei Verkehr und Gebäuden auch im Hinblick auf den europäischen Rechtsrahmen. Ohne baldige Erfolge bei der Reduktion der Emissionen drohen hohe CO2-Preise und damit weitere, vermeidbare Energiekosten. Darüber hinaus wird der Bundeshaushalt durch den kostspieligen Ankauf von Emissionszertifikaten anderer EU-Staaten zusätzlich belastet.

Graichen: „Das Gutachten bestätigt die alarmierend hohen Emissionen bei Verkehr und Gebäuden. Ob beim Heizen und der Mobilität endlich eine Kurskorrektur gelingt, wird zur Gretchenfrage beim Klimaschutz der neuen Bundesregierung. Erfolge in den Bereichen sind auch aus sozialer Sicht dringend geboten. Effiziente Gebäude und erneuerbare Wärme sind die Voraussetzung für bezahlbare Heizkosten und ein gesundes Wohnklima. Es braucht einen klugen Mix aus Gesetzen und sozial gestaffelten Förderprogrammen.“

Im Gebäudebereich muss der Fokus auf der energetischen Sanierung jener Gebäude liegen, die eine besonders schlechte Energiebilanz haben. Beim Heizungstausch müssen die Fristen, die Förderung sowie Vorgaben zur Nutzung erneuerbarer Energien erhalten bleiben.

Graichen: „Schon jetzt drohen Millionen von Öl- und Gasheizungen zur fossilen Kostenfalle zu werden. Dem muss die Regierung vorbauen.“

Erfolgreiche Maßnahmen zur Emissionsreduktion sind auch im Bereich Mobilität überfällig. Hier müssen statt an den Flottengrenzwerten und dem Verbrenner-Ausstieg zu rütteln, Maßnahmen umgesetzt werden, die umweltfreundlichere Mobilität kostengünstig verfügbar machen.

Graichen: „Die Mobilität der Zukunft gelingt nur mit einer Offensive im öffentlichen Nahverkehr. Ein flächendeckendes, bedarfsgerechtes öffentliches Verkehrsangebot und der Hochlauf der E-Mobilität, sind unverzichtbare Schritte für eine klimagerechte Mobilität. Der neue Verkehrsminister muss den Fokus auf den umweltverträglichen Ausbau der Schieneninfrastruktur legen statt weitere klimaschädliche Autobahnen zu bauen.“

Erneuerbare Energien: Erfolgsfaktor im Kampf gegen die Klimakrise

Der Stromsektor ist der einzige Lichtblick in der klimapolitischen Bilanz. Dank des Ausbaus der Erneuerbaren Energien und der stetigen Abkehr von klimaschädlichen Brennstoffen ist hier die Trendwende gelungen, so dass auch die schlechte Klimabilanz der anderen Sektoren gepuffert wird. Zwar wurde im letzten Jahr bei der Windkraft noch zu wenig zugebaut, so dass die Leistung von 4,9 Gigawatt unter dem Ziel blieben. Im selben Jahr wurde das Jahresziel bei der Solarenergie mit 12,1 Gigawatt aber knapp übertroffen.

Graichen: „Erneuerbare Energien sind die grundlegende Stellschraube im Kampf gegen die Klimakrise. Durch den Einsatz von erneuerbaren Energien können langfristig die Energiekosten im Strom-, Wärme- und Mobilitätssektor gesenkt oder stabil gehalten werden. Die Preise für Sonnen- und Windenergie sind auch langfristig kalkulierbar. Fossile Brennstoffe bedeuten geopolitische Abhängigkeiten und künftig weiter steigende Beschaffungs- und Folgekosten.“

Mit Blick auf steigende Strombedarfe warnt der BUND vor einem erneuten Ausbau fossiler Energien. Eine überdimensionierte Gasinfrastruktur ist nicht die Antwort in Zeiten der Klimakrise.

Graichen: „Durch die Elektrifizierung, ob durch Wärmepumpen in Gebäuden oder E-Autos im Verkehr, wird der Strombedarf kontinuierlich steigen. Auch weiterhin brauchen wir einen hohen Zubau an Windkraft- und Solaranlagen sowie eine gesicherte Finanzierung der Erneuerbaren. Nur so können alle Sektoren auf Klimakurs kommen. Der überdimensionierte Ausbau von bis zu 20 Gigawatt neuen Gaskraftwerken bis 2030, den die Bundesregierung plant, ist absolut kontraproduktiv und droht, die Stromkosten in die Höhe zu treiben.“

Hintergrund:

Der Expertenrat für Klimafragen stellt in seinem Gutachten kein zweites Mal ein wahrscheinliches Überschreiten des Treibhausgas-Budgets bis 2030 fest. Damit wird nach dem abgeschwächten Klimaschutzgesetz (KSG) von 2024 kein Maßnahmenprogramm nach Paragraf 8 fällig. Das Ziel für das Jahr 2030 wird jedoch nicht erreicht. Aber nach Paragraf 9 KSG muss jede neue Bundesregierung im ersten Jahr ein Klimaschutzprogramm verabschieden, welches die nötige Emissionsminderung bis 2040 sicherstellt. Bereits nach sechs Monaten, das heißt im Herbst, müssen die Ministerien für ihren Verantwortungsbereich die zielführenden Maßnahmen vorlegen.

Die strukturellen Defizite des deutschen Klimaschutzes zeigen sich in der deutlichen Zielverfehlung für 2040/45, da insbesondere in den Bereichen Gebäude und Verkehr bislang viel zu wenig effektive Maßnahmen ergriffen wurden. Als Folge des Klimawandels und verstärkter intensiver Flächennutzung und -versiegelung hat sich der Landnutzungssektor zur Treibhausgasquelle entwickelt, obwohl er in der deutschen Zielarchitektur als Senke Emissionen einsparen sollte.

Der Expertenrat befasst sich im aktuellen Gutachten auch mit den Anforderungen an das Klimaschutzprogramm der neuen Bundesregierung und betont die Notwendigkeit, Wälder und Böden in ihrer Senkenfunktion wieder zu stärken, die sich seit 2018 zu einer Treibhausgasquelle entwickelt haben. Bereits in seinem 2-Jahres-Gutachten hatte der Rat die Einsetzung eines Klimakabinetts empfohlen, um Ziele und -konflikte in der Regierung besser steuern zu können. Das Gutachten stellt zudem fest, dass rechtzeitiges Nachsteuern bei Zielverfehlung durch das 2024 abgeschwächte Klimaschutzgesetz nur schwerlich möglich ist. Das ist einer der zentralen Gründe, weshalb der BUND gemeinsam mit dem Solarenergie-Förderverein Deutschland e. V. (SFV) im letzten Jahr vor dem Bundesverfassungsgericht Beschwerde zu dem Gesetz eingereicht hat.

Mehr Informationen:

Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) ist mit insgesamt über 674.000 Mitgliedern und Unterstützer*innen einer der größten Umweltverbände Deutschlands. Seit 50 Jahren engagiert er sich unter anderem für eine ökologische Landwirtschaft, den Klimaschutz, den Schutz bedrohter Arten, des Waldes und des Wassers. Finanziert durch Spenden und Mitgliedsbeiträge ist der BUND unabhängig von Politik und Wirtschaft.

Hrsg.: Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) e.V., Nicole Anton (v.i.S.d.P.), Kaiserin-Augusta-Allee 5, 10553 Berlin

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