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Neue Westfälische: Bielefeld KOMMENTAR Woche der Entscheidungen Regieren Sie, Kanzlerin! THOMAS SEIM

Bielefeld (ots)

Die Woche der Entscheidungen naht. Am Freitag
stimmt der Bundesrat über das Steuerpaket der schwarz-gelben 
Regierung ab. Dann wissen wir, ob die Bundeskanzlerin es kann: 
Führen. Bislang hat Angela Merkel noch nicht sehr viel Führungskunst 
gezeigt. Im Gegenteil: Nicht mal vier Wochen vergingen und sie verlor
einen Minister, dessen Ressort Arbeit und Soziales zum Kerngeschäft 
des Regierungshandelns gehört. Das ist fürwahr ein Rekord.
Natürlich sind die persönlichen Unzulänglichkeiten eines Ministers 
immer ein Risiko für die Führung. Und nicht immer kann man aus dessen
Scheitern auf einen Fehler im Kanzleramtsgefüge schließen. Aber im 
Fall von Franz Josef Jung, dem schon in der großen Koalition der Ruf 
des loyalen Minderleisters vorauseilte, war die Kanzlerin gewarnt. 
Sie hat dennoch nicht gehandelt.
Dass Deutschland ein Haushaltsproblem hat, weiß die Republik 
ebenfalls nicht erst seit der Wiederwahl Merkels. Schon 
Ex-Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) rechnete für 2010 mit 
einem Neuverschuldungshorizont von über 80 Milliarden Euro. Nun 
sollen es über 100 Milliarden Euro werden. Die Zeit ist nicht einfach
und verlangt nach unkonventionellen Lösungen. Aber ist der kreative 
Umgang mit Geld schon kreative Politik? Und hätte eine starke 
Regierungschefin in der Krise nicht eine Agenda 2013 vorlegen müssen 
mit Einschnitten in staatliche Leistungen und ohne Rücksichten auf 
die eigene Klientel? Wann, wenn nicht zu Beginn einer schwarz-gelben 
Koalition soll die Kraft für so eine Politik reichen?
Statt dessen diskutiert nun Schwarz mit Gelb darüber, ob man nicht 
mehr zusätzliche Schulden machen muss, um Entlastungen für gut 
verdienende Hoteliers zu finanzieren. Solide durchdachte Politik 
einer konservativ geführten Regierung hatte man sich irgendwie anders
vorgestellt.
Das Kabinett aus Union und FDP leistet sich außerdem einen leicht 
misszuverstehenden Streit um eine Vertriebenenstiftung. Genauer: Um 
die Berufung eines Mitglieds des Stiftungsrats. Bundesaußenminister 
Westerwelle, der sich noch ziemlich staksig auf diplomatischem 
Kabinett bewegt, legt - richtigerweise - sein Veto gegen die 
Vertriebenen-Chefin Erika Steinbach ein. Die Union beharrt auf der 
Berufung. Die Regierung blockiert sich selbst. Und die Kanzlerin 
entscheidet nicht.
Man gewinnt, je länger man auf Merkels unentschiedene und aussitzende
Regierungskunst schaut, doch wieder klammheimliche Sympathien für die
Führungskraft eines Basta-Kanzlers - auch wenn dessen Konzept 
dramatisch gescheitert ist.
Aber der Bundeskanzler bestimmt schließlich die Richtlinien der 
Politik. Er muss es tun. So steht es im Grundgesetz. So lange Merkel 
einer großen Koalition vorsaß, der man - ungeachtet ihrer Leistungen 
- nicht viel zutraute, reichte das Herum-Jetten auf internationalen 
Gipfeln. Das aber ist jetzt vorbei. Am Ende der Woche werden wir an 
den Entscheidungen des Bundesrats erkennen, wie weit die Kraft 
Merkels reicht, dieses Land aus der Krise zu führen. Regieren Sie, 
Kanzlerin!

Pressekontakt:

Neue Westfälische
News Desk
Telefon: 0521 555 271
nachrichten@neue-westfaelische.de

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