Neues Deutschland: kommentiert den Start der EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei
Berlin (ots)
Ein gelungener Start ist etwas anderes. In letzter Minute haben sich die Außenminister der Europäischen Union auf einen Rahmen für die Beitrittsverhandlungen der Türkei geeinigt: auf den, der schon seit langem feststand. Denn die von Österreich geforderte Überprüfung der Aufnahmefähigkeit der EU stand ebenso schon drin wie die Ergebnisoffenheit der Verhandlungen. Das gleichzeitige Zugeständnis an den Österreich-Protegé Kroatien, Beitrittsverhandlungen aufzunehmen, legt einen Kuhhandel als Motiv für Österreichs Umfallen nahe. Eine schlechte Grundlage für die ohnehin schwierigen Verhandlungen. Denn die Türkei ist sicher kein Kandidat wie jeder andere. Mit 70 Millionen Einwohnern bevölkerrungsreich, arm und größtenteils islamisch. Nur darin liegt auch eine große Chance: die Türkei als Brücke zur islamisch-arabischen Welt statt einer weiteren Entfremdung und eines »Zusammenpralls der Zivilisationen«, wie er seit dem 11. September 2001 an Kontur gewinnt. Allein die Aussicht auf den EU-Beitritt hat in der Türkei positive Gesetzesvorhaben befördert. Nach mehreren Verfassungsreformen, der Revision von Strafgesetzbuch und Vollzugsbestimmungen sowie nach Urteilen des Europäischen Menschenrechtsgerichtshofes, die adaptiert wurden, anerkennen selbst Menschenrechtler klare Fortschritte. Diesen Weg wird die Türkei nur mit der echten Aussicht auf einen EU-Beitritt beibehalten. Lang sein wird er ohnehin.
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