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WAZ: Ein doppelt starker Bundespräsident - Kommentar von Alexander Marinos zur aktuellen Rolle Frank-Walter Steinmeiers

Essen (ots)

Auch heute noch ist man zuweilen überrascht, mit welcher Weitsicht die Mütter und Väter des Grundgesetzes vor sieben Jahrzehnten agiert haben. Obwohl Deutschland derzeit in einer ungewohnten politischen Krise steckt, befindet sich das Land in guter Verfassung - eben weil es eine gute Verfassung hat, die vor allzu schnelle Neuwahlen den Bundespräsidenten stellt.

Der, der sonst gerne als "Grüßaugust" der deutschen Politik verspottet wird, ist derzeit tatsächlich der mächtigste Mann der Republik. Er bestimmt, wann und ob es überhaupt zu Neuwahlen kommt. Und noch etwas ist stark: der Amtsinhaber. Dass in diesen Tagen ein Frank-Walter Steinmeier das Amt des Staatsoberhauptes bekleidet, ist - salopp gesagt - Glück im Unglück.

Wer verfügt über mehr Souveränität, diplomatisches Geschick und Krisenmanagement-Erfahrung als der ehemalige Bundesaußenminister? Und wer könnte sich besser in die Parteichefs hineinversetzen, für die so viel auf dem Spiel steht? Es ist ja noch nicht lange her, dass Steinmeier selbst den partei- und machtpolitischen Alltag meistern musste. Er weiß sehr gut, wie Sondierungs- und Koalitionsgespräche funktionieren, was man möglichst tun und tunlichst lassen sollte, um eine Regierung zu bilden. Dass und wie es ihm als einem der vor kurzem noch profiliertesten SPD-Politiker gelingt, hier überparteilich zu agieren, ist bemerkenswert.

Steinmeiers Appell, nun Verantwortung zu übernehmen, dürfte daher besonders SPD-Chef Martin Schulz in den Ohren klingen. Vor allem er ist gemeint, wenn Steinmeier davor warnt, das Volk nicht ernst zu nehmen. Denn was sonst bedeuten Neuwahlen eigentlich, als dem Volk zu sagen, seine Wahl sei nicht gut, und es möge es diesmal besser machen? Wer ist eigentlich der Souverän? Sollen wir wählen, bis die Demokratie am Ende ist? So war es in der Weimarer Republik, und genau davor stehen das Grundgesetz und Steinmeier.

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