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Warum wird die Corona-Warn-App so wenig genutzt?

Warum wird die Corona-Warn-App so wenig genutzt?

Eine neue wissenschaftliche Studie der Universität Mannheim unter der Leitung von Professorin Annelies Blom zeigt Gründe auf, warum die Corona-Warn-App ihre beabsichtigte Wirkung verfehlt. Die Studie beleuchtet auch die Hindernisse bei zwei besonders relevanten Bevölkerungsgruppen.

Die Corona-Warn-App wurde im Juni 2020 von der Bundesregierung als ein Mittel zur Bekämpfung der Covid-19 Pandemie eingeführt. "Je mehr mitmachen, desto größer ist der Nutzen", argumentierte damals die Bundeskanzlerin. Epidemiologische Modelle belegen, dass eine kritische Masse von 56 Prozent aller Bürgerinnern und Bürger eine solche Anwendung nutzen sollten, damit diese ihren Sinn erfüllt. Ende November lag der Download-Stand in Deutschland nach Berechnungen des Robert Koch-Instituts jedoch bei 23,2 Millionen und verfehlte damit klar das Ziel.

Welche die wichtigsten Hürden für den Erfolg der App sind, zeigt eine neue Studie eines Teams um die Datenwissenschaftlerin Prof. Annelies Blom, die kürzlich zur Veröffentlichung in der renommierten Zeitschrift Journal of Medical Internet Research angenommen wurde und als Preprint zur Verfügung steht: Etwa 81 Prozent der Bevölkerung in Deutschland im Alter zwischen 18 und 77 Jahren besitzt ein Smartphone, auf dem die App verwendet werden kann, und sind in der Lage diese selbstständig oder mit der Hilfe anderer zu installieren. Allerdings waren im Juni nur 35 Prozent der Bevölkerung auch bereit, die App sachgemäß zu nutzen.

Die Studie beleuchtet auch die Hindernisse bei zwei besonders relevanten Bevölkerungsgruppen. Zum einen gehören dazu ältere Menschen mit Vorerkrankungen, also diejenigen, die ein hohes Risiko haben, schwer an Covid-19 zu erkranken, und daher früh vor einer möglichen Ansteckung gewarnt werden sollten. Die zweite Gruppe bilden Menschen mit vielen privaten und beruflichen Kontakten, also Personen, die im Falle einer Erkrankung mit hoher Wahrscheinlichkeit das Virus stark verbreiten würden.

Die Hochrisikogruppe hadert vor allem mit der Technik. Lediglich 62 Prozent der Älteren mit Vorerkrankungen besitzen ein entsprechendes Smartphone und sind in der Lage, die Corona-App zu installieren. Allerdings: Diejenigen unter ihnen, die sie installieren können, zeigen auffallend hohe Akzeptanzraten für die App. Dennoch kommt diese Gruppe insgesamt lediglich auf 36 Prozent Nutzung der App. "Das Ergebnis zeigt deutlich, dass die Politik gut darüber nachdenken sollte, ob man für Menschen mit hohem Risiko, schwer an COVID-19 zu erkranken, eine einfachere Alternative zum Smartphone zur Verfügung stellen sollte. Das könnte beispielsweise ein digitales Armband sein, das mit den Funktionen der Corona-Warn-App ausgestattet ist", fasst Studienleiterin Blom zusammen.

Für Personen mit hohem Potential, das Virus zu verbreiten, stellt der Zugang zu Smartphones dagegen keine große Hürde dar. Mehr als 90 Prozent der Menschen in dieser Gruppe besitzen die entsprechenden Geräte und Fähigkeiten. Hier liegt das Problem in der Bereitschaft, die App zu installieren und dann korrekt zu nutzen: Nur insgesamt 31 Prozent von ihnen sind dazu bereit. "Auch hier zeigt sich, dass man sich eine andere, gezielte Herangehensweise überlegen sollte", kommentiert die Datenwissenschaftlerin. "Die simple Botschaft 'Installiert die App!' reicht einfach nicht". Effektiver seien etwa finanzielle Anreize für die Nutzung der App oder eine gezielte Medienansprache an Gruppen mit hohem Verbreitungsrisiko.

"Die Einführung der Corona-Warn-App wurde leider als ein rein technisches Problem verkannt, das Informatiker lösen sollten. Wir wissen aber aus der sozial- und verhaltenswissenschaftlichen Forschung viel über die Akzeptanz von Apps. Diese Erkenntnisse jetzt anzuwenden, könnte auch zu höheren Nutzungsraten führen", konstatiert die 41-Jährige.

Interessant sind diese Erkenntnisse auch im Kontext weiterer Ergebnisse der Mannheimer Corona-Studie: Fast ein Viertel der Bevölkerung würde eine digitale Kontaktverfolgung auch ohne Zustimmung der Beteiligten befürworten. "Ich finde das sehr viel, gerade im Vergleich mit der niedrigen Akzeptanz der Corona-Warn-App", so Blom. "Diese Zahl lässt vermuten, dass die viel diskutierten Datenschutzbedenken im Kontext der Corona-Bedrohung für viele Menschen eine weniger große Rolle spielen als das Potential, die Epidemie mit digitalen Mitteln einzudämmen."

Datengrundlage

Die Ergebnisse basieren auf den Daten der Mannheimer Corona-Studie, die zwischen dem 20. März und 10. Juli jede Woche circa 3.600 Personen in ganz Deutschland wiederholt dazu befragte, wie sich ihr Leben seit der Corona-Krise verändert hat. Die so gewonnenen Daten haben die Forschenden mit denen des German Internet Panels verknüpft, einer langfristigen Studie, die auf einer Einwohnermeldeamtsstichprobe beruht und seit 2012 mehr als 5.000 Personen regelmäßig zu den verschiedensten Themen online befragt. Um eventuelle Verzerrungen in den Daten durch die online Methodik auszugleichen und die Bevölkerungsrepräsentativität der Ergebnisse sicherzustellen, verwendet die Studie ein mehrstufiges Gewichtungsverfahren.

Link zum frei verfügbaren Preprint der Veröffentlichung: https://osf.io/bc3fv/?view_only=ce750b2d0262464395a9ffbda2c20584

Weitere Informationen zur Mannheimer Corona-Studie: https://www.uni-mannheim.de/gip/corona-studie/

Weitere Informationen zum German Internet Panel: https://www.uni-mannheim.de/gip/

Kontakt:
Prof. Annelies Blom, Ph.D.
Leiterin der Mannheimer Corona-Studie
Leiterin des German Internet Panels
Professorin für Data Science
Universität Mannheim
E-Mail:  blom@uni-mannheim.de 
Yvonne Kaul
Forschungskommunikation
Universität Mannheim
Tel. +49 174 3146512
E-Mail:  kaul@uni-mannheim.de
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