Gesellschaft für bedrohte Völker e.V. (GfbV)
Menschenrechtler kritisieren Dorothee Bärs Aussagen zu „Indianerkostümen“
Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) kritisiert die jüngsten Aussagen von Bundesforschungsministerin Dorothee Bär (CSU), die im Zusammenhang mit sogenannten „Indianerkostümen“ im Karneval erklärte: „Indigene haben weniger Probleme damit als einige Moralapostel in Deutschland“. „Diese Aussage ist nicht nur anmaßend, sie ist Ausdruck eines alten Musters. Über Indigene wird gesprochen, statt mit ihnen“, sagt Jan Königshausen, Referent für Indigene Völker bei der GfbV.
„Frau Bär instrumentalisiert die Gefühle ganzer Völker für ihre politische Agenda, ohne offenbar jemals mit einem Vertreter dieser Gemeinschaften gesprochen zu haben. Auf dem Rücken jener, die sich ohnehin nicht wehren können, einen öffentlichen Kulturkampf auszutragen, ist billiger Populismus. Wenn Frau Bär sich tatsächlich für indigene Lebensrealitäten interessieren würde, müsste sie sich gegen die Verfolgung indigener Aktivisten und für den Schutz der Rechte Indigener Völker einsetzen, die auf vielen Kontinenten mit Füßen getreten werden. Denn während Frau Bär in Deutschland vermeintliche ‚Cancel Culture‘ beklagt, werden in Lateinamerika indigene Aktivisten verfolgt, als Terroristen deklariert, bedroht und ermordet. Und das nur, weil sie ihre Territorien verteidigen“, betont Königshausen.
Die Darstellung indigener Menschen im Karneval reproduziere stereotype Bilder, die mit der Realität Indigener Völker* nichts zu tun hätten, kritisiert die GfbV. „Diese Kostüme zeigen nicht kulturelle Vielfalt, sondern eine jahrhundertealte Geschichte von Kolonialisierung, Romantisierung und Auslöschung. Sie sind Teil einer Erzählung, die indigene Menschen zu Karikaturen macht“, so Königshausen. „Ob Vertreter Indigener Völker sich von diesen verzerrten Darstellungen verletzt fühlen, können nur sie selbst sagen. Fakt ist jedoch, dass rassistische und exotisierende Narrative reproduziert werden, die ihren Ursprung in der Kolonialzeit haben und mehr mit den Zerrbildern von Karl May und Hollywood gemein haben als mit den Lebensrealitäten Indigener Völker.“
„Das größere Problem ist jedoch die reale Politik der Bundesregierung, die indigene Rechte nicht ausreichend schützt“, so Königshausen. „Während Frau Bär symbolisch über kulturelle Freiheit streitet, unterstützen CDU und CSU auf nationaler und europäischer Ebene eine Wirtschafts- und Klimapolitik, die Indigene Völker unmittelbar gefährdet. Ob beim Rohstoffbezug für Elektromobilität, bei Agrarimporten oder in internationalen Klimaprogrammen wie REDD+ oder der neuen Taskforce on Forests, Finance and People – überall werden unter dem Vorwand von Fortschritt und Waldschutz Landrechte eingeschränkt, Gemeinschaften verdrängt und Wälder zu Finanzprodukten gemacht. Das ist kein Schutz, sondern grüner Kolonialismus.“
„Schlussendlich muss Dorothee Bär selbst entscheiden, was sie trägt“, so Königshausen abschließend. „Wichtig ist, dass ihre Politik und ihre Worte nicht dazu beitragen, die Lebensbedingungen derer zu verschlechtern, deren Kulturen sie so leichtfertig in den Mund nimmt. Wer über Indigene spricht, sollte ihnen auch zuhören.“
Sie erreichen Jan Königshausen unter j.koenigshausen@gfbv.de oder 0551/49906-14.
*Wir schreiben das „Indigen“ in „Indigene Völker“ groß, um den kulturellen und historischen Kontext dieser Bezeichnung zu würdigen. Durch die Großschreibung werden der spezifische Status der Völker, ihre Einzigartigkeit sowie ihre kollektiven Rechte betont. Im Gegensatz zur kleingeschriebenen Form, die „indigen“ als allgemeines Adjektiv für „einheimisch“ oder „ursprünglich“ nutzt, verweist die Großschreibung auf das Selbstverständnis dieser Gemeinschaften als Völker mit besonderen kulturellen Identitäten und Rechten, wie sie in internationalen Abkommen, wie der UN-Deklaration über die Rechte der Indigenen Völker, festgelegt sind.
Gesellschaft für bedrohte Völker Pressereferat Sarah Neumeyer Postfach 2024 D-37010 Göttingen Tel.: +49 551 499 06-21 Fax: +49 551 580 28 E-Mail: presse@gfbv.de www.gfbv.de Menschenrechtsorganisation mit beratendem Status bei den UN und mitwirkendem Status beim Europarat