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Gesellschaft für bedrohte Völker e.V. (GfbV)

200 Jahre Bolivien (6.8.): Das plurinationale Projekt droht zu scheitern

Am 6. August 2025 begeht Bolivien den 200. Jahrestag seiner Unabhängigkeit – doch die politische und gesellschaftliche Stimmung im Land ist alles andere als festlich. Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) warnt anlässlich des großen Jubiläums (Bicentenario) vor einer tiefen Krise der Demokratie, in der ökologische Verantwortung, indigene Rechte und soziale Gerechtigkeit kaum noch eine Rolle spielen: „Bolivien feiert seine Vergangenheit und blickt in eine ungewisse Zukunft“, befürchtet Jan Königshausen, Referent für Indigene Völker bei der GfbV. „Weder die Regierung noch die Opposition bieten überzeugende Antworten auf die wirtschaftliche Not, die Umweltkrise und die tiefe gesellschaftliche Spaltung. Bei den bevorstehenden Wahlen gibt es keinen Kandidaten, in den die Menschen große Hoffnungen setzten können.“

Der politische Diskurs in Bolivien vor den Präsidentschaftswahlen am 17. August 2025 bleibe unbeirrt extraktivistisch – obwohl steigende Lebenshaltungskosten, sinkende Exporte, Devisenmangel und wachsende Haushaltsdefizite breite Bevölkerungsschichten stark belasten. „Ob links oder rechts – alle Parteien halten an einem zerstörerischen Entwicklungsmodell fest: Rohstoffabbau ohne Rücksicht auf indigene Territorien, Wälder oder Flüsse. Die Landbevölkerung, insbesondere im Tiefland, erlebt tagtäglich, dass ihre Rechte nur auf dem Papier existieren“, so Königshausen.

Im jüngsten TV-Duell vom 1. August zur Präsidentschaftswahl seien weder die ökologische Zerstörung noch die systematische Missachtung indigener Rechte adressiert worden. Den Kandidaten fehle es nicht nur an Visionen, sondern vor allem an politischem Willen. „Kein Kandidat präsentierte Pläne zur Bewältigung der jährlichen Feuerkatastrophen und Entwaldungen, der Quecksilberkrise in den Flüssen oder der Missachtung kollektiver Rechte. Stattdessen dominieren populistische Schuldzuweisungen, technokratische Versprechen und Symbolpolitik“, so Königshausen. Anstatt die berechtigten Sorgen der Bevölkerung ernst zu nehmen würden ausgerechnet zum Jubiläum verfassungsrechtliche Rückschritte im Bereich indigener Autonomie oder ökologischer Grundrechte diskutiert.

Zum 200. Jahrestag der Republik stehe Bolivien an einem Scheideweg, da seinen Versprechungen die endgültige Entwertung drohe. Der „Plurinationale Staat Bolivien“, 2009 als historisches Versprechen für Teilhabe, Gerechtigkeit, Vielfalt und Nachhaltigkeit gedacht, verkomme zu einem Spiel um Einfluss und Posten. „Es müssen jetzt die politischen Voraussetzungen geschaffen werden, um die Interessen Indigener Völker ernsthaft zu achten anstatt ihre Identitäten abzuwerten oder zu instrumentalisieren, um extraktivistische Interessen zu legitimieren. Nur so kann Bolivien den nächsten 200 Jahren mit Zuversicht begegnen“, so Königshausen abschließend.

Sie erreichen Jan Königshausen unter j.koenigshausen@gfbv.de oder 0551/49906-14.

Gesellschaft für bedrohte Völker
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Tel.: +49 551 499 06-21
Fax: +49 551 580 28
E-Mail:  info@gfbv.de
www.gfbv.de
Menschenrechtsorganisation mit beratendem Status bei den UN und mitwirkendem Status beim Europarat
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