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Autobauer im Rückwärtsgang

Mit der Modellreihe 2006 verabschieden sich die deutschen
Autohersteller von ihren Klimaschutzzielen. Die Deutsche Umwelthilfe
e.V. (DUH) fordert von der Großen Koalition, in der EU für
verbindliche Verbrauchslimits zu kämpfen. Seit einem Jahr führen
Hersteller ihre Kunden bei der Verbrauchskennzeichnung mit kreativen
Tricks hinters Licht.
Berlin, 26. Oktober 2005: Die deutschen Autohersteller haben ihre
gegenüber der EU für das Jahr 2008 eingegangene Selbstverpflichtung
beim Klimaschutz faktisch aufgegeben. Das geht nach Berechnungen der
Deutschen Umwelthilfe e.V. (DUH) zweifelsfrei aus den
Spritverbrauchsdaten des Modelljahrs 2006 hervor, die die
Umweltorganisation heute in Berlin vorstellte. Um potenzielle
Autokäufer über die überdurchschnittlichen Spritverbräuche ihrer
Neuwagen im Unklaren zu lassen, verstoßen die Hersteller in den
Autohäusern zudem regelmäßig gegen die Auflagen, die sie seit einem
Jahr zur Nennung des Spritverbrauchs und des Kohlendioxid-Ausstoßes
verpflichten.
In einem Schreiben an EU-Umweltkommissar Stavros Dimas verlangt die
DUH verbindliche Verbrauchsgrenzen für neu zugelassene Pkw. Sie
sollen ab 2008 die schon jetzt gescheiterte
Selbstverpflichtungsvereinbarung mit der europäischen
Automobilindustrie ersetzen. Eine schärfere Gangart bei der
Eindämmung des Treibhauseffektes sei angesichts der immer
dramatischeren Vorhersagen der Klimaforscher und der realen
Katastrophen in den Anrainerstaaten des Golfs von Mexiko überfällig.
DUH-Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch forderte Union und SPD auf,
europaweit verbindliche Spritverbrauchslimits bei Neufahrzeugen in
ihre Koalitionsvereinbarung aufzunehmen und auf EU-Ebene konsequent
einzufordern: „Wer nach den Erfahrungen dieses Jahres immer noch
glaubt, erfolgreichen Klimaschutz über unverbindliche Vereinbarungen
mit der Autoindustrie erreichen zu können, steht ab sofort im
Verdacht der aktiven Volksverdummung. Zur Begrenzung des CO2-
Ausstoßes unserer Autoflotte brauchen wir keine
Selbstverpflichtungen, die nicht eingehalten werden, sondern
verbindliche Grenzwerte wie für die klassischen Schadstoffe“, so
Resch.
Nach den Untersuchungen der Deutschen Umwelthilfe unterschreiten
unter allen deutschen Benzin-Pkw des Modelljahrs 2006 nur zwei den
von der europäischen Automobilindustrie für das Jahr 2008 gegenüber
der EU zugesagten Flottenwert von 140 g CO2/km (entsprechend 5,8
Liter Benzin/100 km). Außer dem Opel Corsa (Modell 1,0 12 V
Twinport) und dem in Frankreich produzierten Zweisitzer Smart Fortwo
scheitern alle anderen deutschen Neufahrzeuge an der
Verbrauchsgrenze, die in gut zwei Jahren im Durchschnitt aller
Neuwagen erreicht sein müsste.
Insbesondere der VW-Konzern, früher einmal das Unternehmen
verbraucherfreundlicher und Sprit sparender Fahrzeuge, zeigt nach
Überzeugung der DUH geradezu demonstrativ, dass ihn die Welt
jenseits betonierter Pisten nicht tangiert. Während der Wolfsburger
Konzern die Spritsparmodelle VW-Lupo und Audi A2 in diesem Jahr
einstellte, führen gleich drei Fahrzeuge aus dem Luxussegment
(Lamborghini Murciélago, Bugatti Veyron, Bentley Arnage T) des
Unternehmens die Hitliste aller Spritschlucker an.
Bei den Diesel-Pkw deutscher Autobauer liegen laut der DUH-Statistik
zwar mehr Modelle unter dem für 2008 anvisierten EU-Flottenwert von
140 gCO2/km (entsprechend 5,1 Liter Diesel/100 km). Dazu
Resch: „Leider ist dieser Erfolg teuer erkauft. Mit Ausnahme des A
160 von Mercedes-Benz verfügt bisher keines dieser sparsamen Diesel-
Modelle über einen Rußpartikelfilter. Die geringere Belastung des
Weltklimas geht auf Kosten der Gesundheit der Menschen in unseren
Städten“.
Mit den Durchschnittsverbräuchen aller angebotenen Modelle 2006
übertreffen die drei großen deutschen Hersteller Volkswagen (202 g
CO2/km), BMW (219 g CO2/km), DaimlerChrysler (237 g CO2/km) den für
2008 anvisierten EU-Flottenwert von 140 gCO2/km um 45 bis fast 70
Prozent. In Reichweite dieses Ziels liegt allein der japanische
Hersteller Daihatsu mit 147 gCO2/km. Mittlere Werte erreichen der
französische PSA-Konzern (Peugeot/Citroen), Suzuki und
Renault /Nissan (170 bis 179 g CO2/km).
Nach EU-Recht sind die Autokonzerne seit Januar 2001 und auch nach
deutschem Recht endlich seit dem 1. November 2004 verpflichtet, in
Werbeanzeigen und in den Autohäusern, ihre Kunden über die
Spritverbräuche der angebotenen Neuwagen zu informieren. Gegen die
vielfältige, kreative Umgehung dieser Kennzeichnungspflicht geht die
DUH seit dem Inkraftreten der entsprechenden Verordnung mit
Abmahnungen und Gerichtsverfahren vor. „Dass die gesetzliche
Verpflichtung zur Offenbarung der Spritverbräuche ernst gemeint ist
und ihre Umgehung kein Kavaliersdelikt, hat sich auch nach zwölf
Monaten noch nicht überall herum gesprochen“, erklärte Cornelia
Ziehm, Leiterin Recht und Verbrauchschutz der DUH. Verstöße seien
immer noch an der Tagesordnung. Rund 200 Abmahnungen habe die DUH
binnen eines Jahres aussprechen müssen und in diesem Zeitraum 88
Unterlassungserklärungen und acht Einstweilige Verfügungen gegen
besonders hartleibige Unternehmen und Händler erwirkt. Etwa zehn
Verfahren und Musterklagen seien derzeit noch vor den Gerichten
anhängig.
Die Deutsche Umwelthilfe habe sich von Anfang an eine an die
Verbrauchskennzeichnung von Kühlschränken oder Waschmaschinen
angelehnte farbige Kennzeichnung auch bei Autos gewünscht. Dies sei
am Widerstand der Autolobby gescheitert. „Die am Ende erlassene
nackte Nennung des Spritverbrauchs und der CO2-Belastung ist für uns
nur die zweitbeste Lösung“, sagte Ziehm.  Die DUH werde trotzdem
ihre Hausbesuche bei Händlern und die Beobachtung von Werbeanzeigen
solange fortsetzen, bis wenigstens diese moderate Verpflichtung
flächendeckend eingehalten werde. Ziehm: „Die Autohersteller müssen
ihren Kunden reinen Wein einschenken. Jeder Autokäufer muss wissen,
ob ein nagelneues Auto das Klima unnötig stark belastet oder
nicht.“
Für Rückfragen:
Jürgen Resch, Deutsche Umwelthilfe e.V. (DUH), Hackescher Markt 4, 
10178 Berlin, Tel.: 030/ 25 89 86-0, mobil 0171/ 3649170, E-Mail:  
resch@duh.de
Dr. Gerd Rosenkranz, Deutsche Umwelthilfe e.V., Hackescher Markt 4, 
10178 Berlin, Tel.: 030/ 25 89 86-15, mobil 0171/ 56 60 577, E-Mail:  
rosenkranz@duh.de
Dr. Cornelia Ziehm, Deutsche Umwelthilfe e.V., Hackescher Markt 4, 
10178 Berlin, Tel.: 030/ 25 89 86-18, mobil 0160/5337376, E-Mail:  
ziehm@duh.de

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