Bundesamt muss Widerrufspraxis bei Pestiziden umstellen: Deutsche Umwelthilfe fordert nach gerichtlicher Klarstellung ein sofortiges Anwendungsverbot nach Widerruf der Zulassung
Berlin (ots)
- Oberverwaltungsgericht stellt klar: Bundesamt muss Einzelfall-Entscheidungen zu Aufbrauchfristen treffen
- Trotz EU-Verbot erlaubt die deutsche Pestizidzulassungsbehörde BVL die weitere Verwendung des Pestizids Cadou SC und weiterer Flufenacet-Mittel in Deutschland
- DUH hat Antrag bei EU-Kommission für sofortiges Verbot ohne Übergangsfristen gestellt
Die bisherige Praxis der Anwendung maximaler Aufbrauchfristen von nicht länger zugelassenen Pestiziden ist rechtswidrig. Das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) muss seine Widerrufspraxis grundlegend umstellen und durch differenzierte Entscheidungen in jedem Einzelfall ersetzen. Dies ergibt sich aus einem Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Lüneburg in einem Verfahren der Deutschen Umwelthilfe (DUH). Die DUH hatte den sofortigen Stopp der Anwendung des flufenacethaltigen Pflanzenschutzmittels Cadou SC der Bayer Crop Science Deutschland GmbH gefordert. Zwar hat das Gericht den Eilantrag im Ergebnis abgelehnt und im konkreten Fall einen Anspruch auf ein Verbot der Herbstanwendung 2025 verneint. Es teilte aber die Rechtsauffassung der DUH, dass pauschale Aufbrauchfristen ohne Ermessensausübung rechtswidrig sind und in bestimmten Fällen ein Sofortverbot notwendig sein kann.
Die EU-Kommission hat die Genehmigung für Flufenacet bereits im Mai 2025 wegen Gefahren für das Grundwasser und schädlicher hormoneller Wirkungen nicht verlängert. Dennoch erlaubt die nationale Genehmigungsbehörde BVL, dass flufenacethaltige Pestizide in Deutschland noch mehr als ein Jahr, konkret bis Dezember 2026, gespritzt werden dürfen. Die DUH setzt sich deshalb auch mit einem Antrag bei der EU-Kommission dafür ein, dass für Umwelt und Gesundheit gefährliche Pestizide künftig ohne Übergangsfristen verboten werden.
Jürgen Resch, DUH-Bundesgeschäftsführer:"Die EU-Kommission hat Flufenacet offiziell in den Giftschrank verbannt, weil es hormonwirksam und gefährlich im Grundwasser ist. Die deutsche Zulassungsbehörde gewährt einem europaweit verbotenen Pestizid absurd lange Abverkaufs- und Aufbrauchfristen. Damit stellt die Bundeshörde die Interessen der Pestizidkonzerneüber den Schutz von Mensch und Natur. Nachdem das Oberverwaltungsgericht klargestellt hat, dass pauschale Aufbrauchfristen rechtswidrig sind, fordern wir eine sofortige Änderung der Widerrufspraxis. Für besonders giftige Pestizide darf es nach deren Widerruf der Zulassung keinerlei Übergangsfristen mehr geben. Sie müssen sofort von unseren Äckern verschwinden."
Hintergrund:
Ende September 2024 stellte die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) fest, dass Flufenacet hormonell schädliche Auswirkungen auf die Schilddrüse hat. Deshalb hat die EU am 20. Mai 2025 die Flufenacet-Genehmigung nicht erneuert. Allerdings ermöglicht die zugrundeliegende Durchführungsverordnung den Mitgliedstaaten üppige Verkaufs- und Aufbrauchfristen.
Der in Pestizidprodukten wie Cadou SC und Tactic enthaltene Wirkstoff Flufenacet gehörte nach Daten des BVL im Jahr 2023 mit 683 Tonnen zu den absatzstärksten Pestizid-Wirkstoffen in Deutschland. Er wird großflächig im Getreideanbau sowie in anderen Kulturen verwendet. Das Abbauprodukt von Flufenacet ist die "Ewigkeitschemikalie" Trifluoressigsäure (TFA). Der Einsatz von Flufenacet ist laut Umweltbundesamt die Hauptursache für den pestizidbedingten Eintrag von TFA in die Umwelt und führt zu einer massiven Belastung von Gewässern. Um TFA wieder aus der Umwelt und aus dem Trinkwasser zu entfernen, gibt es keine praktikablen Methoden.
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Dr. Caroline Douhaire, Rechtsanwältin
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