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NRZ: Vager Vorstoß - Kommentar zur Reichenabgabe von Peter Hahne

11.07.2012 – 19:46

Essen (ots)

Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) hat einen ungewöhnlichen Vorschlag gemacht. Zwangsanleihen und einmalige Abgaben auf hohe Privatvermögen sollen zum Abbau der Staatsschulden in Europa beitragen. Die "Reichenabgabe" schlage nicht auf den Konsum durch und wirke der wachsenden Ungleichheit entgegen. Da ist was dran. Und doch weckt der Begriff "Zwangsanleihe" unschöne Assoziationen. Ältere dürften sich an den "Wehrbeitrag" von 1913 oder an das "Reichsnotopfer" von 1919 erinnert fühlen. Wem das zu weit zurück liegt, hat vielleicht noch die "Investitionshilfeabgabe" von 1982 im Hinterkopf, die am Ende das Verfassungsgericht einkassierte. Kurzum: Zwangsanleihen und Sonderabgaben sind für absolute Notzeiten reserviert und kommen heute schnell mit dem Grundgesetz in Konflikt. Im Übrigen bleiben die Details des DIW-Vorstoßes vage. Wie sollen Immobilien und Sachvermögen berücksichtigt werden? Schlägt der Fiskus, wie den Forschern vorschwebt, bereits ab 250 000 Euro Vermögen zu, würden auch nicht nur "Reiche", sondern die breite Mittelschicht zur Kasse gebeten. Das geht zu weit. Wer hierzulande für eine bessere Verteilung des Wohlstandes kämpft, kann mit einer einfachen Vermögenssteuer mehr erreichen. Das heißt nicht, dass das DIW-Konzept sofort in den Schredder gehört. Tatsächlich weisen gerade Krisenstaaten wie Italien, Griechenland oder Portugal ein ungeheures Missverhältnis zwischen hohen Privatvermögen und öffentlichen Schulden auf. Gelänge es hier, auch nur einen kleinen Teil dieser Vermögen für den Staat zu mobilisieren, wären die hohen Staatsschulden Geschichte. Griechische Reeder und italienische Steueroptimierer könnten die sogenannte Schuldenkrise mit einem Schlag lösen. Ob das mit einer Zwangsanleihe oder über andere Abgaben passiert, ist nebensächlich - wichtig ist, dass nicht wie bislang nur ärmere Menschen über eine Kürzung der Staatsausgaben die Lasten der Krise tragen.

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