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"Report Mainz": Chaotisches Notfallmanagement der Deutschen Bahn für Fahrgäste
Sendung: Di., 22.8.2023, 22 Uhr im Ersten
Moderation: Fritz Frey

Mainz (ots)

Forscher spricht von "Erstickungsgefahr" in liegengebliebenen Zügen ohne Strom

Durchschnittlich 47 Zug-Evakuierungen pro Monat

Recherchen des ARD-Politikmagazins "Report Mainz" ergeben: In diesem Sommer steckten tausende Bahnreisende oft stundenlang in Zügen ohne funktionierende Klimaanlage fest, weil unter anderem die Energieversorgung im Zug ausfiel. Teilweise herrschte in den Zügen Panik, mehrere Passagiere kollabierten. Interne Bahn-Protokolle, die dem ARD-Politikmagazin vorliegen, belegen, dass aus unterschiedlichen Gründen wertvolle Zeit verloren gehen kann, bis DB-Notfallmanager eingetroffen sind und Züge evakuiert werden können.

Keine offiziellen Statistiken zu Zug-Evakuierungen

Zug-Evakuierungen auf offener Strecke in Deutschland sind nach Recherchen von "Report Mainz" nicht meldepflichtig. Das bestätigt das Eisenbahnbundesamt als zuständige Aufsichtsbehörde dem ARD-Politikmagazin. Für Zahlen verweist es auf die Bahnunternehmen selbst. Auf Nachfrage teilt die Deutsche Bahn AG mit: bei 0,004 Prozent der Zugfahrten würde es zu Evakuierungen auf offener Strecke kommen. Eine scheinbar verschwindend geringe Zahl. Doch täglich rollen rund 39.000 Personenzüge auf dem deutschen Schienennetz. Jeden Tag bleiben im Schnitt also 1,56 Züge auf offener Strecke liegen, die evakuiert werden müssen - im Durchschnitt 47 Züge im Monat.

Lebensgefahr für gestrandete Bahnreisende

"Report Mainz" wurden die internen Protokolle der Deutschen Bahn für viele Zugevakuierungen aus diesem Sommer zugespielt. Darin minutengenau festgehalten: der Ablauf und die Meldungen der zuständigen Bahnmitarbeiter. Aus der Auswertung der Protokolle ergibt sich ein Lagebild über Reisende, die oft stundenlang in heißen Zügen eingesperrt sind. Eine Situation, die für die Menschen schnell gefährlich werden könne, so Professor Markus Hecht von der Technischen Universität Berlin. Wenn es keine Stromversorgung mehr gibt, falle sowohl die Klimaanlage als auch die Lüftung aus. "Gerade bei vollen Zügen fällt dann viel CO2 an. Und es besteht tatsächlich Erstickungsgefahr, weil die Fenster sich in den modernen Zügen nicht öffnen lassen und kein Luftaustausch mehr stattfindet. Menschen können dann leicht in Panik geraten", erklärt Markus Hecht. Eine Flucht auf ungesicherten Gleisen berge Lebensgefahr durch Stromschlag oder Kollision mit einem Zug auf dem Gegengleis.

Notfallmanager in "in vielen Fällen" später als 30 Minuten vor Ort

Um solche Gefahren zu vermeiden, muss bei jeder Zugevakuierung in Deutschland ein sogenannter Notfallmanager der Deutschen Bahn anwesend sein. Seine Aufgabe ist es, den Strom an der Oberleitung abzuschalten und die Gleisanlagen zu sichern. Nach dem DB-Regelwerk sollte dieser "nach maximal 30 Minuten" am Einsatzort verfügbar sein, doch Recherchen von "Report Mainz" zeigen, dass es oft länger dauert. Das bestätigt Thomas Egelhaaf, Landesbranddirektor und Mitglied im Ausschuss der Innenministerkonferenz zu Feuerwehrangelegenheiten und Katastrophenschutz: "Permanent wird schon der Wunsch geäußert, darauf hinzuwirken, dass diese 30 Minuten, die in den Konzepten drin sind, auch als maximaler Wert angesetzt werden." Es zeige sich, dass in vielen Fällen die Zeiten überschritten werden. Ein Grund dafür könnte sein, dass die Zuständigkeitsbereiche für die Notfallmanager früher auf 180 Bezirke verteilt wurden - mittlerweile sind es nur noch 163. So lange der Notfallmanager nicht vor Ort ist, dürfen Feuerwehr und Polizei nicht mit Evakuierungsmaßnamen beginnen.

Landespolitiker fordert Aufklärung

Seit Monaten beobachtet Andreas Büttner eine Häufung von Zugevakuierungen in seinem Bundesland. Der verkehrspolitische Sprecher der Linksfraktion in Brandenburg forderte deshalb Aufklärung von der Landesregierung. Konkrete Angaben zu den Zahlen, bekomme er nicht. "Das zeigt wieder, in welch irrer Situation wir eigentlich sind. Da sind Menschenleben in Gefahr, und niemand meldet irgendetwas. Keiner führt angeblich irgendwelche Statistiken, und keiner ist in der Lage, irgendeine Auskunft zu geben."

Bundesverkehrsministerium: "Kritikwürdige Evakuierungsfälle" werden geprüft

Offiziell scheint man sich jetzt mit Fällen von Zugevakuierungen zu befassen. Auf "Report Mainz"-Nachfrage teilt das Bundesverkehrsministerium mit: "Derzeit geht die Aufsicht des EBA im Rahmen von Verwaltungsverfahren konkreten, möglicherweise kritikwürdigen Evakuierungsfällen nach." Wegen der "laufenden Verfahren", möchte das Eisenbahnbundesamt keine weitere Auskunft geben.

Zitate gegen Quellenangabe frei.

Weitere exklusive Informationen auch auf www.reportmainz.de

Bei Rückfragen rufen Sie bitte in der Redaktion "Report Mainz" an, Tel.: 06131 929-33351.

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Pressekontakt: Sibylle Schreckenberger, Tel.: 06131 / 929-32755, sibylle.schreckenberger@swr.de

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