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Suchtexperten kritisieren neue Generation der Geldspielautomaten / "Report Mainz" am 27.11.18 im Ersten

Mainz (ots)

Seit 11. November gelten neue Regelungen für Geldspielautomaten. Der Bundesrat wollte dadurch das Suchtpotential der Automaten reduzieren. Doch die Hersteller der Geldspielgeräte hätten wichtige Vorgaben überhaupt nicht umgesetzt, kritisieren Suchtexperten wie der renommierte Bremer Suchtforscher Gerhard Meyer.

Nach der sogenannten "Spielverordnung" sollten die Geldspielgeräte vor allem langsamer werden. Dafür wurden verschiedene Regelungen verschärft. Ein Spiel sollte mindestens 5 Sekunden dauern. Außerdem wollte der Bundesrat die sogenannte "Automatik-Taste" verbieten. Suchtexperten wollten diese Funktion abschaffen, da sie das Spiel extrem beschleunige. Durch den Automatikstart wird nach Ende eines Spiels sofort das nächste gestartet. Weitere Neuerungen: Der maximale Verlust pro Stunde wurde auf 60 Euro reduziert (früher 80) und der maximale Gewinn wurde von 500 auf 400 Euro verringert. Letzteres wurde bei den neuen Automaten umgesetzt. Doch das Spiel sei trotz klarer Vorgaben durch die Politik nicht langsamer geworden, kritisiert Suchtforscher Meyer. Ein Spiel dauere nach wie vor nur etwas länger als eine Sekunde und die Automatiktaste wurde nur umbenannt: Sie heißt jetzt "Super Start" oder "Starten".

Der Berliner Abgeordnete Daniel Buchholz (SPD) sagte gegenüber "Report Mainz": "Wir erleben tatsächlich eine Nichtumsetzung dessen, was wir als Bundesgesetzgeber und über Vorgaben auch definiert haben. Für mich grenzt das an kriminelle Energie, wie damit umgegangen wird." Ein Sprecher des Automatenherstellers "Gauselmann" hält die neuen Geldspielgeräte dennoch für gesetzeskonform. Denn laut Automatenhersteller sei das eigentliche Spiel der Umbuchungsvorgang von Geld in Spielpunkte - und nicht das Drehen der Walzen. Das sei nur Unterhaltung und falle daher nicht unter die gesetzlichen Bestimmungen.

Suchtforscher Gerhard Meyer hält diese Definition des "Spiels" für völlig falsch: "Es ist doch absurd, dass ein Umbuchungsprozess von Geld in Punkte oder Bankwerte als Spiel deklariert wird, während das eigentliche Spielgeschehen völlig ungeprüft auf einer ganz anderen Ebene abläuft." Auch die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Marlene Mortler (CSU), übt deutliche Kritik an den Automatenherstellern: "Wenn immer wieder die Grenzen überschritten werden und Lücken gesucht werden, um genau das zu umgehen, und darum geht's, dann ist es keine glaubwürdige und ehrliche Politik von Seiten der Automatenwirtschaft."

Zugelassen werden Geldspielgeräte in Deutschland durch die Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB). Sie wird jetzt von Fachverbänden und Glücksspiel-Experten scharf dafür kritisiert, dass sie die neuen Geräte zugelassen hat. Auf Anfrage teilte die PTB mit, dass sie bei den neuen Geldspielautomaten keinen Gesetzesverstoß sehe: "Bei der Bauartzulassung handelt es sich um eine physikalisch-technische Prüfung. Vorgaben zur Ausprägung des weiteren Spielgeschehens, insbesondere zu Spielanreizen, sind generell nicht Gegenstand der Spiel-Verordnung."

Der SPD-Abgeordnete Daniel Buchholz: "Ich habe so ein bisschen das Gefühl, sie haben eine ähnliche Rolle wie das Kraftfahrt-Bundesamt, das bei den Dieselautos auch nicht genau hingeschaut hat und eher kungelt mit der Industrie, mit den Konzernen, das darf und soll eigentlich nicht so sein."

Auch Suchtforscher Meyer wirft der PTB vor, bei der Kontrolle versagt zu haben: "Spielerinnen und Spieler, die an diesen Geldspielgeräten ein Suchtverhalten entwickelt und viel Geld verloren haben, sollten die PTB für diese Genehmigungspraxis zu Verantwortung ziehen und Schadensersatz fordern."

Nach Expertenangaben gibt es in Deutschland über 400.000 Menschen, die geldspielsüchtig sind. Demnach haben Geldspielgeräte das höchste Suchtpotential aller Glücksspiele. Nach Angaben des Bremer Suchtforschers Gerhard Meyer sind die Geld-Verluste an deutschen Automaten in den letzten Jahren immer weiter gestiegen - auf mehr als 7 Mrd. Euro im Jahr 2017.

Zitate gegen Quellenangabe frei.

Bei Fragen wenden Sie sich bitte an "Report Mainz", Tel. 06131 929 33351 oder -33352.

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