Kritik an zeitlicher Begrenzung des Unterhaltsvorschusses /"Report Mainz", heute, 15. September 2015, um 21.45 Uhr im Ersten
Mainz (ots)
Nach Aussagen von Wissenschaftlern und Politikern erhöht die zeitliche Befristung des staatlichen Unterhaltsvorschusses die Armut von Kindern Alleinerziehender. Das berichtet das ARD-Politikmagazin "Report Mainz" (heute, 15.9.2015, 21.45 Uhr, Das Erste). "Wir wissen, dass der Wegfall dieses Instruments Kinderarmut verschärft", sagte Professorin Anne Lenze von der Hochschule Darmstadt. Durch die Befristung wurde die Zahlung im Jahr 2013 für mehr als 70.000 Kinder eingestellt. Das geht aus der Antwort der Bundesregierung auf eine aktuelle Anfrage der Fraktion "Die Linke" hervor, die "Report Mainz" vorliegt.
2,3 Millionen Kinder wachsen in Deutschland bei Alleinerziehenden auf, Tendenz steigend. Rund die Hälfte von ihnen bekommt laut Studien keinen Unterhalt vom anderen Elternteil. Ihnen soll der staatliche Unterhaltsvorschuss helfen. Die Zahlung ist jedoch begrenzt auf maximal 72 Monate und bis zum vollendeten 12. Lebensjahr des Kindes, so regelt es das Unterhaltsvorschussgesetz.
Laut der Antwort der Bundesregierung auf die Anfrage der Linkspartei haben 2013 insgesamt 468.463 Kinder Unterhaltsvorschuss bezogen. Im gleichen Jahr wurde die Leistung in 169.455 Fällen eingestellt, davon in 72.543 Fällen aufgrund der Vollendung des 12. Lebensjahres oder der Erreichung der Höchstleistungsdauer von 72 Monaten. In 43 Prozent der Fälle wurde die Zahlung des Unterhaltsvorschusses also durch die Befristung beendet, sie ist damit der Hauptgrund für den Wegfall der Leistung. Ausreichende Bezüge vom anderen Elternteil waren dagegen in nur 18 Prozent der Fälle (30.394) der Grund für das Ende der Leistung. Auch in den Jahren 2007 bis 2012 wurde die Zahlung des Unterhaltsvorschusses jedes Jahr in mehr als 70.000 Fällen eingestellt, weil die Höchstleistungsdauer oder die Altersgrenze erreicht waren.
Gegenüber "Report Mainz" kritisierte Jörn Wunderlich, familienpolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion "Die Linke", die Befristung deshalb scharf: "Beide Grenzen sind nicht nachvollziehbar und mit nichts zu begründen. Hat ein Kind nach sechsjährigem Bezug von Unterhalt oder ein Kind ab dem vollendeten 12. Lebensjahr plötzlich keinen Bedarf mehr? Durch die Beschränkung beim Unterhaltsvorschuss werden viele alleinerziehende Familien in die Armut getrieben. Daher muss die Regierung an dieser Stelle endlich etwas unternehmen."
Auch die Wissenschaftlerinnen Professorin Anne Lenze, Hochschule Darmstadt, und Dr. Sabina Schutter, Deutsches Jugendinstitut e.V., verwiesen auf die Verschärfung von Kinderarmut durch das Auslaufen des Unterhaltsvorschusses und forderten im Interview mit "Report Mainz" eine Entfristung. Professorin Anne Lenze: "Nur eine verschwindend geringe Zahl der Kinder, die den Unterhaltsvorschuss benötigen, weil der andere Elternteil nicht zahlt, bekommt ihn. Denn in vielen Fällen ist die Leistung durch die Befristung ausgelaufen. In einer Situation, in der wir wissen, dass so viele Elternteile ihren Unterhaltspflichten nicht nachkommen, ist es ein Skandal, wenn der Unterhaltsvorschuss zeitlich befristet ist, weil dann die Kinder ihrem Schicksal überlassen werden und hingenommen wird, dass Kinderarmut ansteigt." Dr. Sabina Schutter sagte: "Aus Sicht der Sozialforschung ist eine Befristung sowohl mit Bezug auf die Dauer als auch mit Bezug auf das Alter falsch. Daten belegen, dass der Wegfall des Unterhaltsvorschusses die Armut von Kindern erhöht. Und Armut bedeutet für die Kinder schlechtere Lebensbedingungen, dauerhaft schlechtere Entwicklungschancen und dauerhaft schlechtere Teilhabe."
Eine Sprecherin des Bundesfamilienministeriums teilte dazu auf Anfrage von "Report Mainz" mit: "Der Unterhaltsvorschuss ist eine sehr wichtige Leistung für alleinerziehende Eltern mit kleineren Kindern." Familienministerin Manuela Schwesig (SPD), wünsche sich, dass die Leistungsdauer und die Altersgrenze ausgebaut würden, so die Sprecherin weiter. Eine Änderung des Unterhaltsvorschussgesetzes sei aber dennoch nicht zu erwarten: "Änderungen hinsichtlich der Altersgrenze und der Höchstleistungsdauer sind derzeit mit Blick auf den Bundes- und auch die Landeshaushalte nicht geplant", so die Sprecherin.
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