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Kölnische Rundschau: Amokfahrt von Münster

Köln (ots)

Würde wahren

Raimund Neuß zu Reaktion auf die Amokfahrt von Münster

Erschütterung. Entsetzen. Tiefe Trauer. Und Solidarität. Diese Stichworte beschreiben die Reaktion der Bürger von Münster auf die Mordtat im Zentrum ihrer Stadt. Vor allem Solidarität: Ganz praktisch, indem sich viele zum Blutspenden meldeten. Aber auch, indem sie vorbildlich mit der Polizei kooperierten, die die Innenstadt sperrte. Und indem sie emotional zusammenstanden - etwa beim Gedenken im Dom.

Gewalttäter können viel zerstören, können andere in den Tod reißen, aber sie können uns nicht unsere Würde nehmen: Das haben die Bürger von Münster gezeigt, das zeigte der Bundesinnenminister bei seinem Besuch in der Stadt, das zeigen Politiker und Kirchenvertreter aus ganz Deutschland.

Ausnahmen bestätigen die Regel: Die AfD-Politikerin Beatrix von Storch, die zynisch das Wort der Bundeskanzlerin zitiert: "Wir schaffen das." Wie bitte? "Das muss kein islamistischer Anschlag gewesen sein", räumt Storch zwei Stunden später ein, um nochmals später zu erklären: "Ein Nachahmer islamistischen Terrors schlägt zu." Der Publizist Roland Tichy fordert den Rücktritt der Kanzlerin. AfD-Mann Markus Frohnmaier behauptet, für die Bundesregierung seien offenbar "nicht die Täter - überwiegend Muslime -" das Problem, sondern das Tatmittel Auto.

Rücksichtslos wird hier versucht, mit dem Leid vieler Menschen Ressentiments zu schüren. Wenn Polizei und Politiker auch nur den Erkenntnisstand zusammenfassen - es liegen keine Hinweise auf einen islamistischen Hintergrund vor -, dann gilt das als Verharmlosung des religiös motivierten Terrors. Jens R. war kein Migrant und kein Muslim - egal: "Jens R. ist Anis Amri. Denn er hat sich seiner Waffe bedient." Heißt es in einem von Tichy empfohlenen Beitrag seines Internetmagazins mit Bezug auf den Attentäter vom Berliner Weihnachtsmarkt. War dann auch der Todesfahrer von Apeldoorn 2009 Amri? Oder der von Charlottesville 2017?

Storch, Tichy und ihre Gefährten begeben sich auf das Niveau des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan, der in Sachen Münster auf angebliche kurdische Terroristen hinwies. Unterbieten lässt sich diese Stillage nicht mehr, aber eine ganze Weile halten. Das beweist Aiman Mazyek, Chef einer kleinen islamischen Gruppierung, die sich Zentralrat nennt und entsprechend hofieren lässt. "Deutsche Täter sind psychisch gestört - muslimische ,islamistische' Terroristen?", fragt er: Ein solcher "Doppelstandarddiskurs" schüre Islamophobie. Welcher Standard darf es sein? Soll Jens R. zum Extremisten werden oder Anis Amri zum Geisteskranken? Storch schreibt über Islamismus, wo keiner ist, während Mazyek den realen Islamismus nicht wahrhaben will.

Kehren wir lieber zurück zum Ausgangspunkt: Solidarität und Würde. Bürgerpflicht ist es, die Ermittler ihre Arbeit machen zu lassen und nicht durch irrwitzige Spekulationen Panik zu schüren. So wie die Polizei auch anderswo ihre Pflicht tut und weiter im Umfeld von Anis Amri ermittelt. Das zeigen inoffiziellen Angaben über ein möglicherweise vereiteltes - islamistisches - Attentat in Berlin. Wer aber das Schicksal der Opfer von Münster für agitatorische Zwecke missbraucht, verletzt einfachste Anstandsregeln.

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Pressekontakt:

Kölnische Rundschau
Raimund Neuß
Telefon: 0228-6688-546
print@kr-redaktion.de

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