Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU)
Kinderärzte-Kritik: "Unsere egoistische Konsummentalität nicht enkeltauglich"
Osnabrück (ots)
Internationaler Kongress in der DBU befasste sich mit unterschiedlichen Formen von Umweltgefahren für Kinder
"Falsche Ernährung, Übergewicht, Bewegungsmangel, Armut, Gewalt und Drogen sind Umweltfaktoren, die in Mitteleuropa viel mehr als physikalische Faktoren oder Chemikalien die Gesundheit von Kindern und letztlich die Zukunft unserer Gesellschaft bedrohen." - Dieses Fazit zog heute Prof. Karl Ernst von Mühlendahl am Ende einer viertägigen Fachtagung in der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU), zu der die Kinderumwelt gGmbH der Deutschen Akademie für Kinder- und Jugendmedizin gut 50 Experten aus zahlreichen europäischen Ländern und den USA nach Osnabrück eingeladen hatte: "Unsere oft egoistische, verbraucherorientierte Produktions- und Konsummentalität ist nicht enkeltauglich. Verbrauch der endlichen fossilen Energieträger, Klimaerwärmung und Verschwinden des stratosphärischen Ozons, die ungelöste Frage der atomaren Endlagerung, Abholzung der tropischen und nördlichen Wälder sowie Verlust der Artenvielfalt - das sind die in der Zukunft wahrhaft bedrohenden Umweltfaktoren."
In einem Pressegespräch am Rande der Arbeitstagung "Zukünftige Kinderumwelt: soziale, physikalische und chemische Bedrohung" betonte von Mühlendahl als Organisator, es sei deutlich geworden, dass die aufgezählten psychosozialen Aspekte der Umwelt für die aktuelle Gesundheit unserer Kinder weit wichtiger seien als die physikalischen oder chemischen.
Was ganz und gar nicht heiße, dass diese Faktoren zu vernachlässigen seien. Bedenklich sei etwa, dass in den vergangenen Jahrzehnten kaum oder nur langsam abbaubare Substanzen wie Duftstoffe, Weichmacher und etwa für atmungsaktive Jacken, schmutzabweisendes Papier oder Feuerschutzmittel verwendete perfluorierte Tenside (PFT) - das sind industriell hergestellte organische Verbindungen, die sich im Körper des Menschen ablagern und nur langsam abgebaut werden, - in zum Teil Hundertausenden von Tonnen in die Umwelt freigesetzt worden seien. Sie seien teilweise bereits in großer Ferne - etwa in der Arktis - nachweisbar. Über ihre Giftigkeit sei wenig bekannt. Gerade das Zusammenwirken solcher Stoffe mit unbekanntem Toxizitätspotenzial mahne zur Vorsicht im Umgang mit Produktion, Anwendung und Freisetzung von neuen Chemikalien und mit alten, noch nicht ausreichend geprüften Verbindungen.
Auch auf physikalisch-chemische Einflussfaktoren bei der Belastungen von Kindern ging von Mühlendahl ein. So habe der Kongress die Feinstaubbelastung in der Innenraumluft, in der sich Kinder weit über 80 Prozent des Tages aufhielten, als einen der wichtigen Faktoren identifiziert, die zur Entwicklung von Erkrankungen beitragen. Obwohl die Feinstaubbelastungen in der Außenluft, teilweise verkehrsbeding, in den Innenstädten unbestritten und erheblich krank machten, liege in der Innenraumluft in Schulen oder zu Hause etwa durch Tabakrauch oft eine "wesentlich höhere Konzentration" vor. Neu in den Blickpunkt gerückt sei neben den Feinstäuben die Schimmelpilzbelastung, und zwar nicht nur hinsichtlich der möglichen Auslösung von Allergien und Asthma, sondern auch durch die schädliche Wirkung von Schimmelpilzgiften.
Den Bogen zurück zu den sozialen Aspekten schlug heute während der Tagung Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff. In seinem Vortrag beschäftigte er sich mit "Gewalt und Medien" als für Kinder bedrohliche Umweltfaktoren. Wulff betonte, dass Gesetze und Verordnungen das Problem in Zeiten eines weltweit nicht kontrollierbaren Internetangebots im Regelfall nicht lösen könnten. Vielmehr komme es darauf an, möglichst früh Medienkompetenz bei den Kindern zu fördern. Wulff: "Kinder müssen lernen, Gutes und Schlechtes voneinander zu unterscheiden." Wichtig sei es, sie über die Wirkung von Medien, über Gefahren des Konsums gewalthaltiger Inhalte aufzuklären. Es müsse die Mentalität gefördert werden, Gewaltverherrlichendes einfach nicht sehen zu wollen. An die Adresse der Politik richtete der Ministerpräsident den Appell, sich neben den drängenden aktuellen Themen wieder verstärkt politisch um die "Z-Themen" zu kümmern: "Zeit, Zuwendung, Zärtlichkeit und Zukunft."
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