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Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zu Pegida-Demos in Dresden

Bielefeld (ots)

Ohne Rücksicht auf potenzielle CDU-Wähler unter den »Pegida«-Demonstranten hat Angela Merkel eine klare Grenze gezogen. Gemessen daran, dass die Kanzlerin nicht als schnelle Entscheiderin bekannt ist, sorgt ihr Machtwort für Erstaunen - und setzt die CDU deutlich von der AfD ab. Merkels Vorstoß ist auch mutig, weil laut einer aktuellen Umfrage 49 Prozent der Bürger Verständnis für die Anti-Islam-Demonstrationen haben. Normalerweise nimmt die Regierungschefin Rücksicht auf die Stimmung im Volk. Bei »Pegida« dürfte sie jedoch die internationale Wirkung im Blick haben, die von den Umzügen ausgehen könnte. Die Parteien wissen nicht so recht, wie sie mit der Bewegung »Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes«, kurz »Pegida«, umgehen sollen. Deutlichstes Zeichen dafür: Drei politische Talkshows in Folge haben sich mit dem Phänomen befasst. Dabei spielt das öffentlich-rechtliche Fernsehen keine gute Rolle, wenn es in den Sendungen nur darum geht, Zerrbilder zu zeichnen. Es ist nicht seriös, von drei zwielichtigen Organistoren der Dresdener »Pegida«-Demonstrationen auf die Geisteshaltung von 10 000 Menschen zu schließen. In dem Zusammenhang pauschal von »Nazis in Nadelstreifen« zu sprechen, wie es NRW-Innenminister Ralf Jäger (SPD) getan hat, ist falsch und wenig hilfreich. Auch die Forderung des Bundesjustizministers Heiko Maas (SPD) nach einem »breiten Gegenbündnis der gesamten Zivilgesellschaft« führt nur zu dem Ziel, die »Pegida«-Demonstranten als Rechtsradikale zu verteufeln. Maas' (beabsichtigter?) Denkfehler: Die große Mehrheit der Leute, die gegen die von ihnen gefühlte Veränderung Europas auf die Straße geht, zählt sich selbst zur Mitte der Zivilgesellschaft. »Pegida« hat - vorerst nur in Dresden - ein Ventil geöffnet, aus dem sich eine diffuse Mischung Frust entlädt. Frust darüber, dass die Politik keine Antworten auf Fragen findet, die unsere Identität betreffen. Warum haben Männer, die für den »Islamischen Staat« (IS) kämpfen, einen deutschen Pass? Wieso gewähren Gerichte Gewalttätern aus fremden Kulturkreisen bei der Bestrafung oft einen Werterabatt? Die »Pegida«-Bewegung ist ein verstörendes Phänomen, das sich kaum greifen lässt. Die größte Gemeinsamkeit der Montagsmarschierer ist das Gefühl, in einer ihnen fremder werdenden Gesellschaft zu leben. Allerdings kann davon in Sachsen überhaupt keine Rede sein. Dort, wo im Westen der Anteil von Muslimen ungleich höher liegt, gibt es wenige oder keine Proteste. Kann »Pegida« also im Zuge der Wahlrerfolge der AfD in Thüringen und Brandenburg vorrangig als Ost-Problem behandelt werden? Wenn ja, wäre das 25 Jahre nach dem Fall der Mauer ziemlich bedenklich.

Pressekontakt:

Westfalen-Blatt
Chef vom Dienst Nachrichten
Andreas Kolesch
Telefon: 0521 - 585261

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