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Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zur Großen Koalition

Bielefeld (ots)

»GroKo« ist also das Wort des Jahres. Die Gesellschaft für deutsche Sprache hat wieder einmal viel Gespür bewiesen und einen unmöglichen Kunstbegriff zurecht mit dem (Anti)-Preis versehen. Nach »Stresstest« im Jahr 2011 und »Rettungsroutine« 2012 ist auch die neueste Auszeichnung mit Spott und Ironie verbunden. Es gab Regierungen in der Geschichte der Bundesrepublik, die bessere Startvoraussetzungen als diese »GroKo« hatten - aber das liegt nicht an der Gesellschaft für deutsche Sprache.

Das Kernproblem der Großen Koalition ist, dass CDU/CSU und SPD versucht haben, passend zu machen, was gar nicht zusammenpasst. Der Koalitionsvertrag ist eine Aneinanderreihung von Wünschen und Wahlversprechen beider Koalitionspartner, von der Maut bis zum Mindestlohn, von der Mütterrente bis zur Mietpreisbremse. Es fehlt ein roter Faden. Die Vision ist nicht zu erkennen. Wo steht das Land in zwei Jahren, wo in vier Jahren? Viele vermissen eine Agenda 2020. Sie wäre dringender nötig als ein weiterer Ausbau von Sozialleistungen, den wir uns zudem gar nicht leisten können.

Der Koalitionsvertrag steckt voller fauler Kompromisse.

Beispiel Mindestlohn: Obwohl ein flächendeckender Mindestlohn tausende von Arbeitsplätzen vernichtet, hat die Union zugestimmt. Die SPD ließ es wiederum zu, dass der Mindestlohn zunächst aufs Wartegleis verschoben wurde.

Beispiel Steuererleichterungen für Familien: CDU/CSU hatten genau das versprochen. Stattdessen werden die Sozialbeiträge angehoben, so dass es insbesondere für Familien teurer wird. Auch die Abschaffung der Kalten Progression steht im Wahlprogramm, aber mit keiner einzigen Zeile im Koalitionsvertrag.

Beispiel Maut: Der Wortbruch der Bundeskanzlerin (»Mit mir wird es keine Maut geben«) ist bekannt. Die Maut wird dazu führen, dass das Autofahren auch für die Deutschen teurer wird.

Niemand wird ernsthaft davon ausgehen, dass die SPD-Mitglieder der Großen Koalition keine Zustimmung erteilen werden. Somit gilt als sicher, dass Angela Merkel am Dienstag erneut zur Kanzlerin gewählt wird. Aber: Beide Partner gehen belastet in die neue Regierung. Die SPD, weil die Mitglieder fürchten, in einer Merkel-Regierung unter zu gehen. Und die CDU, weil die Kröten zu dick sind, die geschluckt werden mussten. Den Mitgliedern, insbesondere denen des Wirtschaftsflügels der Partei, fehlt angesichts des eindeutigen Wahlergebnisses die eigene Handschrift.

SPD-Chef Sigmar Gabriel wird sich an diesem Samstag als »Held der Demokratie« feiern. Die Union wird freundlich gratulieren. Es folgt die offizielle Postenvergabe. Die SPD-Minister sind ja schon am Freitag durchgesickert, obwohl es unter den Parteien anders vereinbart war. Die »GroKo« ist keine gute Lösung für Deutschland, aber leider alternativlos. Das war übrigens das Unwort des Jahres 2010.

Pressekontakt:

Westfalen-Blatt
Nachrichtenleiter
Andreas Kolesch
Telefon: 0521 - 585261

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