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Westfalen-Blatt: Das Westfalen-Blatt (Bielefeld) zur Berliner Rede:

Bielefeld (ots)

Mit seiner vierten Berliner Rede hat
Bundespräsident Horst Köhler den Deutschen seine bemerkenswerte Sicht
der Krise dargelegt. Nichts beschönigend, getragen von der gebotenen 
Sorge um das Gemeinwohl und dennoch frei von Pessimismus oder gar 
Panik half das Staatsoberhaupt uns allen einzuordnen, was kaum einer 
bislang wirklich versteht.
An schlichte kaufmännische Grundsätze erinnernd und von Demut vor 
höheren Werten als dem Markt getragen war sein Vortrag dreierlei: 
Selten gut verständliches Statement eines erfahrenen Weltbankers, 
Ordnungsruf an die Regierenden und Wirtschaftenden sowie 
Bewerbungsrede für die erhoffte Wiederwahl am 23. Mai. Sein 
tagespolitischer Appell an Union und SPD war nötig. Vielen dürfte er 
aus der Seele gesprochen haben, als er Sacharbeit statt Wahlkampf bis
zum Herbst verlangte.
Aber seine Rede ist weit mehr und weist über den Tag hinaus. Köhler 
macht Mut. Er erkennt in der Krise Chancen. Niemand kann mehr 
dauerhaft Vorteile nur für sich allein schaffen. Mehr Arbeitslose, 
mehr Schulden, massive Wachstumsverluste sind das eine. Aber der 
Bundespräsident ist auch voller Zuversicht, dass es eine Zeit danach 
geben wird. Jenseits des Tals der Tränen muss eine bessere Zukunft 
liegen. Selbst Barack Obama nimmt inzwischen Anleihen bei der 
Sozialen Marktwirtschaft.
Eine Eisenbahnlinie quer durch Afrika zu bauen wäre in den 
vergangenen Jahren mit einem geringeren Risiko behaftet gewesen, als 
sein Geld einer angesehenen New Yorker Investmentbank zu investieren.
Köhler bringt mit diesem Bild eines seiner großen Ur-Anliegen auf den
Punkt. Schon in seiner Zeit als Chef des Weltwährungsfonds (IWF) 
bewies er starkes Interesse an der Infrastruktur armer Länder.
 Entwicklungsländer sind nicht mehr fern, ruft er in Erinnerung und 
streut ein, dass auch jene 15 Prozent der Menschheit, die in besten 
Verhältnisses leben, künftig eine Art Entwicklungspolitik hin zur 
ökologisch-sozialen Marktwirtschaft nötig haben.
Köhler verzichtet weitgehend auf den erhobenen Zeigefinger. Schon gar
nicht besteht er darauf, einiges früher erkannt, womöglich sogar 
besser gewusst zu haben. Fast beiläufig lässt er wissen, dass ihn 
bereits im Jahr 2000 gigantische Finanzierungsvolumen und 
überkomplexe Finanzprodukte Sorgen bereiteten.
 Wer, wie er, schon damals die G7-Staaten zur Überprüfung ihrer 
Finanzsektoren mahnte, könnte heute auch ein Donnerwetter loslassen. 
Nicht so der Bundespräsident. Er beginnt seine Ansprache mit den 
Worten: »Ich will Ihnen eine Geschichte meines Scheiterns berichten.«
Köhler ist visionär, hat eine Botschaft und rät zu einem neuen 
Bretton Woods, also einem komplett neuen Zuschnitt der Weltfinanzen. 
Die reichen Länder sollten auf ihn hören, nicht nur weil China gerade
auf Distanz zum US-Dollar geht. Die Deutschen brauchen Horst Köhler 
ganz besonders - als Wegbegleiter durch fünf schwere Jahre.

Pressekontakt:

Westfalen-Blatt
Nachrichtenleiter
Andreas Kolesch
Telefon: 0521 - 585261

Original content of: Westfalen-Blatt, transmitted by news aktuell

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