Verbot von Vergewaltigungsvideos gefordert – Betroffene äußert sich
Hamburg (ots)
Niedersachsens Justizministerin Dr. Kathrin Wahlmann (SPD) fordert eine Verschärfung des Strafrechts: Wer in Deutschland Vergewaltigungsvideos von Erwachsenen besitzt, soll bestraft werden. Auslöser für diesen Verbotsvorstoß ist eine mehrjährige NDR-Recherche, die ab sofort im Podcast „Rape Tapes“ in der ARD Audiothek und Podcast-Plattformen verfügbar ist.
Ein NDR-Team deckte ein internationales Netzwerk von Vergewaltigern auf, in dem Frauen unter Betäubung vergewaltigt, die Taten gefilmt und anschließend online verbreitet werden. In fünf Podcast-Folgen berichten die Journalistinnen Isabell Beer und Isabel Ströh, wie sie sich undercover in dieses Netzwerk einschleusten und aufdeckten, wie Täter vorgehen, sich organisieren und ihre Spuren verwischen. Die Recherche wird in der neuen Staffel von „11KM Stories“ ausführlich erzählt.
Im Mittelpunkt steht „Marlene“ (Name geändert) aus Niedersachsen. Ihr Fall wurde erst durch die Recherche von STRG_F (NDR/funk) bekannt. Für ihre Recherchen zum Vergewaltiger-Netzwerk wurden die beiden Autorinnen u.a. bereits mit dem Grimme-Preis und jüngst mit dem Deutsch-Französischen Journalistenpreis ausgezeichnet. Bei einer Hausdurchsuchung bei „Marlene“ und ihrem Ehemann „Nils“ (Name geändert) stießen Ermittler auf Tabletten, Datenträger und Beweise für zahlreiche Taten über einen Zeitraum von über 15 Jahren. Nils hatte seine Frau betäubt, vergewaltigt und die Übergriffe gefilmt. Die Videos verbreitete er auf frei zugänglichen Pornoseiten und in geschlossenen Messenger-Gruppen, in denen sich Täter über Dosierungen, K.o.-Mittel und ihre „Erfahrungen“ austauschten. Auf einer Pornoseite wurden seine Vergewaltigungsvideos millionenfach aufgerufen.
Durch die Ermittlungen erfährt “Marlene” erstmals von den Taten ihres Mannes. Im Interview mit 11KM Stories sagt sie: “Ich versuche wirklich alles zu vergessen, was früher war. Doch das geht einfach nicht, weil wir hatten ja auch schöne Zeiten. Er war immer ein ruhiger, liebevoller Mensch. Er war für mich immer da, er war für die Familie immer da. Er war auch für Freunde immer da. Er war für jeden Spaß zu haben. Ich frage mich wirklich tagtäglich: Warum hat er das getan?”
“Marlene” berichtet im Podcast auch von den Folgen: “Ich habe immer und immer wieder Albträume. Mitunter hält mich nachts meine innere Unruhe so wach und ich habe immer das Gefühl: Du bist nicht in Sicherheit. Träume, die ich niemandem wünsche, die mir immer wieder Bilder vor Augen führen, die grausam sind. Und wenn ich morgens aufwache, kommen oft wieder die Gedanken: Warum, wieso, weshalb hast du das getan? Dann laufen mir noch im Halbschlaf die Tränen übers Gesicht und ich muss einfach aufstehen, um meine Gedanken in eine andere Richtung zu lenken, da nicht dran zu denken.”
Der Podcast thematisiert zudem eine mögliche Lücke im Gesetz. Der bloße Besitz von Vergewaltigungsvideos Erwachsener ist in Deutschland bislang nicht strafbar. Justizministerin Dr. Kathrin Wahlmann (SPD) bringt den Fall nun in die Politik. Auf der Justizministerkonferenz am 7. November in Leipzig will sie nun fordern, dass der Besitz solcher Videos künftig strafbar wird.
“Ich möchte, dass der Besitz und die Verbreitung von Vergewaltigungsvideos bestraft wird", erklärt Wahlmann im Interview gegenüber 11KM Stories. “Es gibt tatsächlich richtige Vergewaltiger-Netzwerke, in denen Männer ihre Videos von Vergewaltigungen austauschen. Und dass es wirklich Männer gibt, die das konsumieren, finde ich so was von abstoßend. Und ich finde es auch absolut verwerflich, dass es diesen Markt gibt. Und diesen Markt, den müssen wir dringend austrocknen.”
Wahlmann sagt: “Jedes weitere Ansehen dieses Videos ist im Prinzip ein weiterer Missbrauch. Wenn die Täter schon selber kein Unrechtsbewusstsein haben, dann muss der Staat mit den Mitteln des Strafrechts agieren und das unter Strafe stellen und die Täter auch bestrafen.” Über den Antrag werden die Landesjustizministerinnen und -minister heute auf der Konferenz beraten.
Im Interview mit 11KM Stories reagiert “Marlene” darauf: “Ich lebe in der ständigen Angst. Es tummeln sich Millionen Menschen täglich im Internet. Weltweit. Und ich glaube, es ist nur eine Frage der Zeit, bis eins meiner Videos wieder hochgeladen wird. Ein Video von mir wurde knapp vier Millionen Mal angeklickt. Wenn nur ein Prozent der User es sich runtergeladen hat, sprechen wir von 40.000 Downloads. Und wenn davon wiederum nur ein Prozent dieses Video wieder ins Internet stellt, sprechen wir von 400. Diese verbreiten sich dann wieder rasend schnell und das macht mir wirklich Angst.”.
Für “Marlene” steht deshalb fest: “ Das muss einfach unter Strafe gestellt werden. Für mich ist es vielleicht zu spät, für andere nicht.”
“Rape Tapes” - die neue Staffel des Podcast-Feeds „11KM Stories”. Die Recherche von STRG_F ist ab sofort in der ARD Audiothek und auf allen gängigen Podcast-Plattformen verfügbar.
Link: 11KM Stories · Neue Folgen - Jetzt Podcast anhören!
Übersicht zum Podcast:
„Rape Tapes“ beleuchtet in fünf Teilen die Struktur des Vergewaltiger-Netzwerks, die psychologischen Strukturen und Taktiken der Täter, die Perspektive und Erlebnisse von Betroffenen und das Versagen der Ermittlungsbehörden.
- Folge 1 zeigt den Undercover-Einstieg ins Netzwerk – mit einem dafür erstellten männlichen Profil.
- Folge 2 deckt auf, wie Täter in Echtzeit Vergewaltigungen planen und Anleitungen austauschen.
- Folge 3 erzählt “Marlenes” Geschichte – aus der Perspektive einer Frau, die über Jahre von ihrem Ehemann heimlich betäubt und vergewaltigt wurde.
- Folge 4 folgt den Spuren eines vermeintlichen „Haarserums“, das sich als K.o.-Mittel herausstellt.
- Folge 5 rekonstruiert das Versagen der Behörden im Fall von “Marlene”.
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