Neue Westfälische: Neue Westfälische (Bielefeld): Googles Rückzug aus China Politur fürs Silberbesteck JOHANN VOLLMER
Bielefeld (ots)
Es entwickelt sich ein neuer Volkssport in den
westlichen Industrienationen. Ob Politiker mit innenpolitischen
Schwierigkeiten, Prominente mit Blitzlichtdefizit oder Unternehmen
mit Imageproblemen - wer immer Chinakritik übt, kann sich breiter
Zustimmung der Öffentlichkeit sicher sein.
Jetzt mag sich die Internet-Suchmaschine Google den
Zensurbestimmungen der chinesischen Regierung nicht länger
unterwerfen. Der demonstrative Rückzug aus dem Reich der Mitte soll
Googles Namen wieder zum Glänzen bringen. "Don't be evil" ("Sei nicht
böse") lautet dessen Motto, das zuletzt wie ein Silberbesteck in der
Spülmaschine angelaufen war.
Denn das niedliche, bunte Firmenlogo kann nicht darüber
hinwegtäuschen, dass das Unternehmen weltweit gigantische Datenmengen
über die Nutzer der Suchmaschine anhäuft. Google weiß in der Regel
mehr über das Freizeitverhalten, Musikvorlieben, sexuelle Präferenzen
und politische Einstellungen seiner Nutzer als Eltern über ihre
eigenen Kinder.
Dass Google in China den freien Zugang zu Informationen predigt, ist
dabei höchst interessant. Bezeichnenderweise gehört Google selbst zu
den intransparentesten und medienscheuesten Unternehmen, wenn es
beispielsweise um Informationen über das umstrittene
Streetview-Projekt geht, bei dem Straßen und Häuserzüge systematisch
fotografiert und ins Netz gestellt werden.
Die Kehrtwende im Reich der Mitte kommt bei weitem nicht
überraschend. Richtig Fuß fassen konnte der Weltmarktführer trotz
großer Bemühungen in China nur bedingt. Die Chinesen nutzen lieber
den heimischen Anbieter Baidu. Nach Schätzungen macht das
Chinageschäft bei Google nur ein bis zwei Prozent des
Unternehmensumsatzes aus. Eine Imagekampagne, die die Datenkrake
moralisch reinwäscht, wäre wohl deutlich teuerer.Pressekontakt:
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