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Landeszeitung Lüneburg: Landeszeitung Lüneburg: Dass der Staat nicht einspringen soll, wenn Firmen sich finanziell ,,verheben", dafür plädiert Niedersachsens neuer Wirtschaftsminister Philipp Rösler im Interview der Woche.

Lüneburg (ots)

Nicht vom Fach -- dieser Vorwurf hat ihrem
Kollegen in Sachen Karriere, dem neuen Bundeswirtschaftsminister 
Karl-Theodor zu Guttenberg, heftige Kritik eingebracht. Auch Sie sind
als gelernter Augenarzt kein Vertreter der Wirtschaft -- ein Manko? 
Philipp Rösler: Das sehe ich ganz gelassen. Aufgabe eines jeden 
Ministers und auch Politikers ist es, eine Gesellschaft 
mitzugestalten. Das heißt, sie brauchen Mut, Entscheidungen zu 
treffen, sie müssen in der Tat kompetent sein, die richtigen 
Entscheidungen zu treffen, und sie müssen die Fähigkeit besitzen, 
Menschen zu motivieren, die Entscheidungen gemeinsam und erfolgreich 
umzusetzen. Und gerade in der Wirtschaftspolitik ist ein innerer 
ordnungspolitischer Kompass erforderlich und den habe ich, wie die 
anderen Liberalen natürlich auch.
Die Bewältigung der gigantischen Finanzkrise erfordert schnelle 
Maßnahmen. Wäre es national zu verantworten, das Konjunkturpaket II 
aus Länderinteressen auszubremsen? Rösler: Es gibt Licht und Schatten
in diesem Konjunkturpaket. Einige Punkte sind unsinnig, weil sie aus 
dem Zusammenhang gerissen sind. So versucht die Große Koalition mit 
der schuldenfinanzierten Senkung der Krankenversicherungsbeiträge die
Folgen des Gesundheitsfonds zu vertuschen, der ja gerade erst zum 
Anstieg der Krankenversicherungsbeiträge geführt hatte. Das Ganze 
verhindert eine notwendige Reform im Gesundheitswesen. Auf der 
anderen Seite gibt es aber auch sinnvolle Vorschläge wie die 
Investitionen in Infrastruktur und Bildung.
Weniger Steuern und weniger Schulden -- das ist doch ein Widerspruch?
Rösler: Zunächst einmal werden jetzt enorme Schulden aufgebaut: 50 
Milliarden Euro. Das bedeutet, nachfolgende Generationen müssen diese
abbezahlen. Wir haben daher kritisiert, dass die Schuldenbremse erst 
sehr spät kommt. An das Abbezahlen denkt man erst als Zweites und 
Jahre später -- das halten wir für falsch. Dennoch ist es so, dass 
alle Ökonomen der Auffassung sind, dass kreditfinanzierte 
Steuersenkungen wirtschaftlich allemal besser wirken als über 
Schulden finanzierte Ausgabenpakete. Und deswegen wäre es richtiger, 
noch stärker an die Entlastung der Menschen zu denken.
Wie wird Niedersachsen von der Finanzspritze profitieren? Rösler: 
Ingesamt sind, je nachdem wie das Paket im Detail aussehen wird, 920 
Millionen Euro von Seiten des Bundes vorgesehen. Das Land und die 
Kommunen gemeinsam legen noch einmal 307 Millionen Euro dazu. Das ist
unser Eigenanteil, den wir zu leisten haben. Und ebenso stellt das 
Land noch mal zirka 150 Millionen Euro zur Verfügung, um 
Sonderprojekte in ganz Niedersachsen zu fördern. Wir wollen damit 
Investitionen in der Infrastruktur unterstützen, zum Beispiel 
bauliche Maßnahmen im Schulbereich, aber auch Projekte wie eine 
bessere Breitbandversorgung insbesondere im ländlichen Raum.
Wie viel Freiheiten haben die Städte und Gemeinden? Rösler: Sehr 
viele Freiheiten. Ein Großteil des Geldes wird pauschal an die 
Kommunen weitergegeben. 450 Millionen Euro werden nach einem 
Schlüssel -- ähnlich wie der im kommunalen Finanzausgleich -- 
verteilt. Das heißt, die Kommunen können dort selber über die Gelder 
bestimmen. Die einzige Bedingung ist, dass die Maßnahmen nicht nur 
innerhalb von zwei Jahren begonnen werden, sondern auch abgeschlossen
sind. Und es müssen Maßnahmen sein, die bisher noch nicht geplant 
waren, also solche, die neu hinzukommen.
Der Wirtschaftsstandort Niedersachsen liegt in Sachen Produktivität 
deutlich unter dem Bundesdurchschnitt. Das Einkommen der Bürger ist 
fünf Prozent niedriger als im Bundesvergleich. Wie kann Niedersachsen
wirtschaftlich aufholen? Rösler: Wir haben eine starke 
mittelständische Struktur, und die gilt es gerade in Krisenzeiten zu 
stärken. Man darf das Augenmerk nicht allein auf die großen Konzerne 
lenken, sondern muss vor allem an den Mittelstand denken. Die 
Bürokratie muss unsinnige Gesetze wie die, die vor drei Jahren dank 
der Großen Koalition dazugekommen sind -- ich nenne da nur die 
Erbschaftssteuerreform, die Unternehmenssteuerreform, das 
Anti-Diskriminierungsgesetz --, rückgängig machen.
Aber Sie sprechen hier von Bundesgesetzenu Rösler: Deswegen fordern 
wir ja auch mehr Entbürokratisierung. Man kann dann viel stärker und 
schneller investieren, auch als Bundesland, wenn man die Chance hat, 
Planungszeiten zu verkürzen. Denn diese sind gerade für große 
Infrastruktur-Projekte insgesamt viel zu lang, sprich ökonomisch 
unsinnig.
Nur 7,6 Prozent aller Inves"titionen in Deutschland entfielen 2006 
auf niedersächsische Unternehmen, der niedrigste Wert seit 16 Jahren.
Ist Niedersachsen unattraktiv für die Wirtschaft? Rösler: 
Niedersachsen ist im Gegenteil sehr attraktiv. Man muss immer auch 
die eigene Leistungsfähigkeit der Unternehmen sehen. Insgesamt ist es
tatsächlich so, dass wir im Bundesdurchschnitt weniger Inves"titionen
haben als strukturstarke Länder wie Bayern oder Baden-Württemberg. 
Aber wir holen deutlich auf. Und ganz wichtig ist, dass der Großteil 
aller Investitionen, nämlich 90 Prozent, aus dem Privatbereich kommt 
und nicht aus den öffentlichen Haushalten. Also gilt es, genau diesen
privaten Bereich zu stärken.
Der JadeWeserPort war trotz vieler Querelen ein Lieblingsprojekt 
Ihres Vorgängers, werden Sie es übernehmen? Rösler: Dieser 
Hafenausbau ist ein sinnvolles Projekt. Gerade in Zeiten der 
Globalisierung braucht man ihn, um den globalen Handel weiter zu 
entwickeln. Daher sind viele Seehäfen nötig. Und da ist Niedersachsen
mit dem JadeWeserPort genau zur richtigen Zeit an der richtigen 
Stelle.
Und die Konkurrenz zu Bremen und Hamburg stört nicht? Rösler: Es ist 
richtig, dass man Norddeutschland als Hafenstandort insgesamt 
betrachtet. Bremerhaven beispielsweise ist Luftlinie gerade einmal 30
Kilometer von Wilhelmshaven entfernt. Aber 30 Kilometer ist auch die 
Kai-Länge im großen Hafen von Rotterdam. Die Konkurrenten für den 
JadeWeserPort, die liegen nicht in Bremerhaven oder Hamburg, sondern 
in den Niederlanden und Belgien: Amsterdam, Rotterdam, Antwerpen, das
sind unsere großen Mitbewerber. Und deswegen müssen wir uns in 
Norddeutschland gemeinsam diesem Wettbewerb stellen.
Also wollen Sie eine Art Vernetzung? Rösler: Genau. Wir wollen eine 
norddeutsche Häfenbetrachtung und auch eine Abstimmung, damit wir mit
den internationalen Wettbewerbern wirklich Schritt halten können.
Gibt es noch weitere Schwerpunkte neben den Häfen? Rösler: Im Zuge 
des Konjunkturpaketes wird das Land Niedersachsen Gelder für die 
nicht-bundeseigenen Eisenbahnen zur Verfügung stellen, um wichtige 
Verkehrsknotenpunkte, gerade auch im Inte"resse des JadeWeserPorts, 
zu entlasten. Ich denke an die Verkehrsengpässe im Bereich 
Bremen/Bremerhaven, aber auch im Bereich Hamburg-Harburg und 
Lüneburg. 15 Millionen Euro aus dem Konjunkturpaket werden hier zur 
Verfügung gestellt. Und das Land gibt selber noch einmal fünf 
Millionen Euro dazu.
Welchen Kurs in Sachen Conti/Schaeffler befürworten Sie? Rösler: Hier
vertreten die Liberalen die Auffassung, dass der Staat nicht für 
privates Risiko haften kann. Das Unternehmen Schaeffler hat sich ein 
sehr hohes Risiko aufgeladen, indem es versucht hat, einen dreimal 
größeren Konzern zu übernehmen. Das ist nicht gelungen. Aber dann 
kann man auch nicht erwarten, dass der Staat dieses Risiko trägt. Das
ist nicht finanzierbar. Es wäre auch nicht richtig, denkt man an die 
vielen kleinen Unternehmen, die dann fragen könnten: ,,Wer kümmert 
sich um uns?"
Aber auf der anderen Seite geht es hier um viele Arbeitsplätze? 
Rösler: Das beste Negativ-Beispiel ist Philipp Holzmann. Hier wurde 
ein großer Konzern unterstützt, der übrigens erst einmal durch 
Preisdumping kleine mittelständische Unternehmen in den Ruin 
getrieben hat. Dann konnte er selber diese Preise nicht mehr halten 
und geriet in Schwierigkeiten. Der Staat ist damals eingesprungen. 
Trotzdem hat das alles nichts genützt. Denn wenn ein Geschäftsmodell 
nicht funktioniert, dann kann ein Unternehmen auf Dauer auch mit 
Staatshilfen nicht funktionieren. Und Holzmann ist 2007 endgültig 
insolvent gegangen. So einen Fehler darf man nicht noch ein zweites 
Mal machen.
Das Wiedererstarken der FDP insbesondere nach der Landtagswahl in 
Hessen, lässt viele Liberale aufatmen. Ist der Wählergewinn wirklich 
von Dauer, oder ist die FDP nur ein Durchgangslager für unzufriedene 
Bürger? Rösler: Wir freuen uns natürlich über solch gute Ergebnisse 
wie in Hessen. Und über gute Umfrage-Werte. Trotzdem werden wir nicht
übermütig. Und in der Tat geht es jetzt darum, die Wähler, die 
offensichtlich gerade mit der Wirtschafts- und Finanzpolitik der 
Großen Koalition in Berlin unzufrieden sind, dauerhaft an die FDP zu 
binden.
Genügt denn das Einhalten von Versprechen, um den Traum von der 
18-Prozent-Partei wahr werden zu lassen? Rösler: Zunächst ist es 
wichtig, dass man gerade in Krisenzeiten deutlich macht, dass 
Glaubwürdigkeit in der Politik am allerwichtigsten ist. Diese gewinnt
man, indem man vor der Wahl die Dinge ankündigt, die man vorhat, auch
die Unangenehmen. Und diese nach der Wahl, wie versprochen, eins zu 
eins einhält. Das ist unser liberaler Weg. Ich glaube, wir haben 
erkannt, dass man gute Ergebnisse nur durch Fleiß, Solidität und 
Seriosität erreichen kann. Und das wird unseren Weg markieren, auch 
für die anstehende Europa-Wahl und die Bundestagswahl.
In Sachen Wirtschaft und Finanzen fühlen sich die Liberalen zu Hause.
Sie selbst werben auch für weiche Themen, fordern mehr Emotionen und 
Warmherzigkeit. Wie kommt das in der Partei an? Rösler: Ich glaube, 
es gibt eine große Bewegung innerhalb der FDP, und das zeigt ja auch 
die Bereitschaft der Partei insgesamt zu einer Grundsatzdiskussion 
über unser liberales Wertegerüst. Es ist richtig, dass wir eine gute 
Wirtschafts- und Finanzpolitik haben, aber gleichzeitig ist 
Liberalismus eine Lebensphilosophie, die auf viele 
gesellschaftspolitische Fragen richtige liberale Antworten findet. 
Und deswegen bin ich froh und stolz darauf, dass wir neben 
Wirtschafts- und Finanzpolitik auch Themen wie Bürgerrechte und 
Bildungspolitik wieder zum liberalen Wertekanon dazuzählen können. Es
gab viel Hickhack um die USA-Reise von Walter Hirche -- fürchten Sie 
hier keinen Imageschaden? Rösler: Ich glaube, es ist gerade jetzt 
deutlich geworden, wie wichtig der Wirtschaft solche 
Unternehmerreisen sind. Es ist eine der wichtigsten Aufgaben des 
Wirtschaftsministers und der Landesregierung, unserem Mittelstand im 
Ausland Türen zu öffnen, gerade in schwierigen Zeiten. Nachdem die 
Diskussion aufkam, hat Walter Hirche verzichtet, im Auftrag der 
Landesregierung zu fahren. Aber er wird trotzdem die Reise begleiten,
auf ausdrücklichen Wunsch der Wirtschaft, die auf Hirches Renommee in
diesem Gebiet setzt.
Wenn Sie mitführen, könnten Sie sich gleich als neuer 
Wirtschaftsminister einführen? Rösler: Es geht ja nicht um mich, 
sondern darum, für die Unternehmen etwas zu erreichen. Und deswegen 
wird jetzt für die Landesregierung der Staatssekretär Stefan Kapferer
mitfahren. Es werden ja noch weitere Unternehmerreisen folgen, so 
dass ich dann selbstverständlich als Wirtschaftsminister die 
erfolgreiche Internationalisierungspolitik des Mittelstandes von 
Walter Hirche auch als Person weiter fortsetzen werde.
Was war Ihre erste Amtshandlung als Wirtschaftsminis"ter von 
Niedersachsen? Rösler: Als Allererstes habe ich mich mit meinen 
Mitarbeitern zusammengesetzt, um gemeinsam zu überlegen, wie wir es 
schaffen werden, unseren Beitrag zu leisten, damit Niedersachsen gut 
durch die Krise kommt. Und ein guter Minister kann immer nur so gut 
sein wie seine Mitarbeiter im Ministerium. Und dort haben wir 
hervorragende Mitarbeiter, und deshalb wolltel ich als Erstes mit 
ihnen reden.
Das Interview führte Dietlinde Terjung
Mit freundlichen Grüßen

Pressekontakt:

Landeszeitung Lüneburg
Werner Kolbe
Telefon: +49 (04131) 740-282
werner.kolbe@landeszeitung.de

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