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Westfalenpost: Das Bayern-Erdbeben Neuanfang nach dem Absturz der CSU

Hagen (ots)

Von Bodo Zapp
Mit einem deutlichen Denkzettel hatte die CSU gerechnet. Dass sie 
so tief abstürzt, hätte jedoch niemand für möglich gehalten. Nach 46 
Jahren absoluter Mehrheit kann die Partei nicht mehr allein regieren,
in der Landespolitik ist nichts mehr so, wie es war.
  Der Mythos CSU gehört der Vergangenheit an, sie ist gestern zu 
einer ganz normalen Partei geworden, die verlieren kann. Dass es 
einen Neuanfang ohne personelle Konsequenzen gibt, ist schwer 
vorstellbar. Der blasse Vorsitzende Erwin Huber ist nicht mehr 
tragbar. Für seine Nachfolge steht Bundesminister Seehofer bereit, 
der in Bayern nicht nur Freunde hat, aber im Prinzip alternativlos 
ist.
Der Franke
 Absehbar ist, dass Ministerpräsident Günther Beckstein an der Spitze
der jetzt zu bildenden Koalitionsregierung steht (vorzugsweise mit 
der FDP) - wenn die Nachbeben nicht noch an weiteren Grundfesten 
rütteln. Der Franke genießt im Freistaat, der seinen 
Alleinstellungsanspruch und die besondere Machtposition in der Union 
verloren hat, mehr Sympathien als sein Spezi beim Stoiber-Sturz.
  Warum sollten die Menschen einen Wechsel wollen, wo Bayern doch 
besser dastehe als die anderen Länder? Das unglücklich agierende 
Spitzenduo hat diese Frage oft in den Wahlkampf-Raum gestellt und mit
dem Stolz auf das Erreichte selbst beantwortet. Man konnte sich kaum 
vorstellen, dass es Antworten gibt, die sehr schmerzliche Folgen 
haben. Ein Trugschluss! Wie sich zeigt, ist die bürgerliche Mehrheit 
nicht verloren, sie verteilt sich allerdings anders.
Die Freien Wähler
 Die Freien Wähler kommen in der Mehrzahl aus dem CSU-Umfeld. Mit dem
Land sind sie nicht unzufrieden, wohl aber mit der "Mir allein san 
die Bestimmer"-Mentalität der Christsozialen. Ein krasser 
Poitikwechsel ist nicht ihr Bestreben, Bodenständigkeit zeichnet die 
Vertreter der im ländlichen Raum starken Freien Wähler aus. Ihr 
Spitzenkandidat Aiwanger ist Landwirt, ebenso wie Grünen-Landeschef 
Daxenberger. Sichere Domänen der CSU gibt es nicht mehr, das ist seit
dem schwarzen Sonntag für die Schwarzen klar.
 Auch die FDP, in Bayern bisher eine eher virtuelle Partei, 
profitiert von der großen Zahl derer, die von der CSU enttäuscht 
sind, aber keinen radikalen Umbruch wollen. Der im Wahlkampf stark 
engagierte Westerwelle kann den Einzug in den Landtag als 
persönlichen Erfolg verbuchen.
Noch schlechter
 Für die SPD und ihren wacker auf verlorenem Posten kämpfenden 
Spitzenkandidat Franz Maget gab es nicht den erhofften 
Steinmeier/Müntefering-Bonus. Wenn die Sozialdemokraten anführen, 
dass ohne die Beck-Ablöser das Ergebnis noch schlechter als ohnehin 
gewesen wäre, ist dies einfach erschreckend.
 Bei der CSU sitzt der Schock über die verlorene alte Herrlichkeit 
tief. Wie es geschehen konnte, dass aus der Krafthuber-Partei im 
Prinzip eine Regionalpartei geworden ist, darüber wird man erbittert 
und verbittert diskutieren. Transrapid-Pleite, Bildungspolitik, 
Gehampel um die Pendlerpauschale - inhaltlich gab es erhebliche 
Schwachpunkte. Abgestraft wurde aber wohl vor allem die Arroganz der 
Macht. Wenn sie in den Spiegel blickten, sahen sie selbstgefällig nur
sich selbst. Der verlorene Nimbus der Unbesiegbarkeit beschert der 
Nation CSU-Spitzen mit Laptop und Büßerhemd. Eine neue Ära beginnt. 
eigentlich ein Stück demokratischer Normalität.
Bundespolitik
 Was bedeutet der denkwürdige Wahlabend für die Bundespolitik? 
Unstrittig ist: Der Einfluss Bayerns wird kleiner, beliebte 
Querschüsse in Berlin haben nur noch die Durchschlagskraft von 
Wattebäuschen. Auf die Stimmenbringer aus Bayern kann sich Angela 
Merkel nicht mehr verlassen. Dass die Union bei der zehnten 
Landtagswahl hintereinander Stimmern verliert, muss die Kanzlerin 
beunruhigen.
 Wer von einem klammheimlichen Triumpf Stoibers spricht, vergisst 
dabei, dass es schon unter ihm große Erosionsbewegungen in der CSU 
gab. Richtig ist: Gegen starke Figuren wie Strauß und mit Abstrichen 
auch Stoiber wirkten Beckstein und Huber wie Leichtgewichte. Gerade 
in Bayern mag man aber Selbstbewusstsein und Stärke.

Pressekontakt:

Westfalenpost
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Telefon: 02331/9174160

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