Neue OZ: Kommentar zu Mindestlohn
Osnabrück (ots)
Flickschusterei
Es ist sicher kein Zufall, dass das Bundeskabinett jetzt noch einmal für erfreuliche Nachrichten sorgt: Auch für Steinmetze und Bildhauer gelten künftig Mindestlöhne. Wenige Tage vor der Bundestagswahl ist dies nicht nur eine überfällige Entscheidung in der Sache, sondern auch eine genau kalkulierte Werbung in eigener Sache.
Bei genauer Betrachtung schnurrt das als so großartig gepriesene Paket freilich auf Kleinformat zusammen. Denn es geht um eine Branche mit gerade einmal 11 000 Beschäftigten. Auch ist die Gesamtzahl von vier Millionen Arbeitnehmern, für deren Branchen mittlerweile Mindestlöhne gelten, eher bescheiden. Denn der Niedriglohnsektor in Deutschland ist und bleibt riesig. Viele, sehr viele Menschen können nicht vom Ertrag ihrer Arbeit leben, auch wenn sie sich noch so sehr abmühen. Studien belegen, dass acht Millionen Beschäftigte weniger als 9,15 Euro brutto pro Stunde verdienen, knapp 1,4 Millionen erhalten nicht einmal fünf Euro. Es gibt mithin noch viel zu tun im Kampf gegen Niedriglöhne und damit langfristig auch gegen Altersarmut. Auf die Einigung der Tarifpartner zu setzen und Löhne dann für allgemein verbindlich zu erklären ist grundsätzlich eine gute Idee. Doch hat dieses langwierige Verfahren bislang keine flächendeckende Lösung gebracht. Ein allgemeiner gesetzlicher Mindestlohn, wie die Oppositionsparteien ihn fordern, ist eine klare Alternative.
Uwe Westdörp
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