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WAZ: Mehr als um Köpfe geht es um Konzepte: Regierungslinks oder oppositionslinks? - Leitartikel von Ulrich Reitz

Essen (ots)

Spätestens jetzt werden dem gemeinen
Polit-Konsumenten dann doch Zweifel kommen an der Qualifikation des
von ihm gewählten Spitzenpersonals. Zumal nach wie vor die Haupt- und
Staatsfrage ohne Antwort ist: wer regiert wie? Und was wird dabei aus
Deutschland?
Köpfe und Konzepte – alles hängt mit allem zusammen. Beispiel
Müntefering: wenn es stimmt, dass die SPD eine ganze Generation an
die Grünen verloren hat und darum nun knapp an vorzeigbarem Nachwuchs
ist, dann resultiert Münteferings Stärke vor allem aus mangelnden
Alternativen zu ihm. Zieht eine Krise herauf, schlägt relative Stärke
um in absolute Schwäche. Das war in den letzten Tagen, ja Stunden zu
sehen.
Bei der Generalsekretärs-Entscheidung ging es nicht nur um links
gegen rechts oder jung gegen alt oder dumm gegen intelligent. Viele
hatten die Nase voll von Münteferings System, mit dem er sich immer
mehr wandelte vom Partei-Fühler zum Partei-Führer. Einer
orientierungslosen Partei neben einer schwarzen Kanzlerin einen roten
Apparatschik zuzumuten, belegte nur Münteferings Abgehobenheit. Und
so blöd, wie die anderen jetzt tun, konnten sie gar nicht sein: wer
für Nahles war, stimmte gegen den SPD-Chef, der im Fall einer
Niederlage abtreten musste – was denn sonst?
Dem SPD-Misstrauensvotum aus Gehorsam (gegen Schröder) folgte
eines aus Ungehorsam (gegen Müntefering); vielleicht war es sogar
eine Intrige von Genossen, denen die ganze Richtung nicht passt,
Motto: lieber mit der schönen roten Welt im Reinen opponieren als
beim Regieren mit den Falschen ständig an der Seele verletzt zu
werden. Wäre es tatsächlich so, die SPD hätte ihre Krise erst noch
vor sich.
Soll aus der großen Koalition noch was werden, muss die SPD sich
entscheiden: regierungslinks oder oppositionslinks? Kann sie das
nicht, läuft es heraus auf Neuwahlen. Dort wartet ein Desaster: Kein
Kanzler, der im Alleingang für fünf Prozent gut ist, kein Parteichef,
der die Flügel zusammenhält, die Partei im programmatischen
Dauerstreit – und richtig links dann noch Oskar. Und auch wenn
Müntefering, als Inte-grator zwischen Regierung und Partei nun stark
geschwächt, im Kabinett bleibt, führt an dieser Richtungsentscheidung
kein Weg vorbei. Mehr noch als über einen Kopf muss die SPD nun über
ein Konzept entscheiden.
Parteipolitische und staatspolitische Verantwortung fließen dabei
zusammen: denn als Illusions-Partei wäre die SPD nur noch
randständig. Schlag nach beim Ausnahme-Wahlkämpfer Schröder: Regiert
wird Deutschland aus der Mitte.
Ein letzter Gedanke noch zu Stoiber? Lieber nicht.

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