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WAZ: Amoklauf in Winnenden - Einzelgänger am Ende ihres Krisenwegs - Leitartikel von Norbert Robers

Essen (ots)

Ob Littleton, Erfurt, Emsdetten oder jetzt
Winnenden: Ein solches Ausmaß an Gewalt sorgt für Entsetzen. Der 
Schrecken sitzt tief. Wer den Schilderungen der Angehörigen oder der 
Seelsorger zuhört, kann den Schock, den Schauder halbwegs 
nachempfinden. In diesen Momenten, in denen häufig von Schicksal und 
Zufälligkeiten die Rede ist, spürt jeder: Vielleicht habe ich einfach
nur Glück gehabt.
Diese Gefühle werfen Fragen auf, viele Fragen. Jeder Leser, 
Zuschauer oder Zuhörer will verstehen, er will es zumindest 
versuchen. Weil es so unglaublich klingt, dass ein 17-Jähriger zum 
Massenmörder mutiert. Und weil schlüssige Antworten auch eine Art 
Schutz bieten: Wer versteht, so hofft man im Innersten, kann 
vorsorgen.
Wer jedoch die Geschichte des Amoklaufs und die Lebensläufe der 
Täter genauer studiert, der kommt unweigerlich zu dem Schluss: Jeder 
Fall ist individuell, es gibt kein Muster und keinen Leitfaden, den 
es nur auszuwerten gilt, um eine Wiederholung auszuschließen.
Der Versuch einer Typisierung der jüngsten Amokläufer bleibt 
daher notgedrungen an der Oberfläche. Meist handelt es sich um eher 
unauffällige Einzelgänger, die selten Gefühle preisgeben, die zu 
Selbstüberschätzung neigen, die mal mehr und mal weniger Misserfolge 
hinter sich haben und die am Ende eines langen Krisenwegs ihre 
unbeherrschbare Wut mit Waffengewalt entladen. Aber kennt nicht jeder
von uns einen Nachbarn, Freund oder Bekannten, der diesem "Raster" 
zumindest in Teilen entspricht, der aber gleichwohl nie zu einer 
Schusswaffe greifen würde?
Zehntausende Jugendliche hocken jeden Tag vor dem PC und schießen
sich mit Killerspielen einen virtuellen Weg frei. Das ist traurig 
genug. Und dass diese Art von Freizeitbeschäftigung eine enthemmende 
Wirkung hat, ist ebenfalls unstrittig. Aber natürlich wird nicht 
jeder Spieler zum Mörder, auch wenn er gleichzeitig als seelisch 
labil gilt, ein Einzelgänger ist und keinen Schulabschluss hat.
Vor jeder Bluttat gibt es Warn- und Alarmsignale. Nur sind es 
eben nicht immer dieselben. Und vor allem bedarf es jemanden, der 
diese Signale erkennt und ernst nimmt. Der den Betroffenen anspricht 
und Fragen stellt. Es gibt viele gute Strategie-Ansätze, um 
potenzielle Amokläufer rechtzeitig zu identifizieren und zu stoppen -
schulinterne Krisenteams etwa. Aber die bittere Wahrheit lautet: Es 
kann immer wieder passieren.

Pressekontakt:

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Zentralredaktion
Telefon: 0201 / 804-2727
zentralredaktion@waz.de

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