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WAZ: Die EU-Flüchtlingspolitik: Eine Festung mit Namen Europa - Leitartikel von Jürgen Polzin

Essen (ots)

Sechs Meter hoch sind die Grenzzäune der spanischen
Enklaven Ceuta und Melilla, die sich auf marokkanischem Territorium 
befinden. Vor vielen Jahren, als es an diesen Orten weder 
Stacheldraht noch tote Flüchtlinge gab, haben Soziologen genau diese 
Entwicklung vorhergesagt. Forschungsprojekte beschäftigten sich 
damals mit der Frage, wie sich wohl die Welt angesichts der 
fortschreitenden Globalisierung verändern würde. Eine von mehreren 
Zukunftsvisionen hieß "Fortress Building": Die wohlhabenden, 
wachsenden Regionen haben Festungen gebaut, an deren Toren jene um 
Einlass bitten, die den globalen Wettlauf verloren haben. Heute sind 
Ceuta und Melilla die Türsteher Europas.
Viel zu spät beschäftigt sich die EU-Flüchtlingspolitik mit dem 
Skandal, der sich rund um den größten Binnenmarkt der Welt abspielt. 
Wellen von Flüchtlingen stranden an den europäischen 
Mittelmeer-Küsten - tot, halbtot oder lebendig. Die Allermeisten sind
illegale Einwanderer aus Afrika. Flucht und Vertreibung nennen sie 
als Grund, warum sie sich auf die meist monatelange Reise gemacht 
haben. In der Hoffnung, irgendwo im reichen Europa eine Arbeit zu 
finden, haben sie Schleppern und Schleusern für die letzte Passage 
über das Meer tausende Dollar gezahlt. Manche dieser Nussschalen 
werden von Aufklärungs-flugzeugen entdeckt, die Menschen an Bord 
zurückgeschickt. Andere werden von skrupellosen Menschenhändlern 
vorher über Bord geworfen. Die Wellen spülen ihre Leichen an die 
Ferieninsel Lampedusa.
Vielleicht braucht Europa eine Grenzschutzagentur Frontex, was in
Wirklichkeit nichts anderes als ein Elend-im-Anflug-Frühwarnsystem 
ist. Vielleicht können Patrouillenboote, Flugzeuge und eine 
systematische Überwachung der Migrationsrouten Menschenleben retten. 
Doch mit Sicherheit wird dies nicht das Problem des Zustroms lösen. 
Hilfswerke und Entwicklungshelfer plädieren für 
Partnerschaftsabkommen mit afrikanischen Herkunftsländern, für legale
Arbeitsmigration.
Im Klartext: Europa wird sich mit der Frage beschäftigen müssen, 
wie Flüchtlingen Aufenthalt gewährt werden soll. Wieder sind es 
Soziologen, die darauf drängen, diese Antwort schnell zu finden. 
Studien warnen, dass der Klimawandel in Gestalt von Dürren und 
Überschwemmungen eine Völkerwanderung auslösen könnte: Millionen 
Menschen würden sich aus dem Afrika südlich der Sahel-Zone sowie den 
Mündungsgebieten in Asien aufmachen in jene Regionen, die wir zu 
Festungen ausgebaut haben. Ein Problem, das wir jetzt lösen müssen.

Pressekontakt:

Rückfragen bitte an:
Westdeutsche Allgemeine Zeitung
Zentralredaktion
Telefon: (0201) 804-8975
zentralredaktion@waz.de

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