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Weser-Kurier: Kommentar zur Beschneidungsdebatte

Bremen (ots)

Waren die Parlamentarier wirklich so naiv, oder zerstreute der Gedanke an die gute Tat alle Zweifel? Der Vorstoß, die Beschneidung von Jungen gesetzlich zu regeln, war wahrscheinlich vor allem einem geschuldet: den Protesten nach dem Kölner Urteil. Dass der Vorschlag ihnen jetzt auf die Füße fällt, ist nur folgerichtig. Es mag ja aller Ehren wert sein, in Deutschland lebenden Juden und Muslimen zu versichern, dass sie weiterhin ihre Traditionen praktizieren können. Sehr weitsichtig war es nicht. Denn beim Streit um die Beschneidung müssen zwei fundamentale Grundrechte abgewogen werden: Steht die Religionsfreiheit über dem Recht auf körperliche Unversehrtheit oder umgekehrt? Oder lässt sich beides doch miteinander versöhnen? Wer darauf eine schnelle - und vor allem: plausible - Antwort hat, möge sie doch bitte gleich an Sabine Leutheusser-Schnarrenberger weiterreichen, die Justizministerin wäre bestimmt sehr dankbar. Nein, das Thema ist komplex und kompliziert. Und deshalb melden sich in diesen Tagen immer mehr Skeptiker zu Wort. Beide Rechte wiegen schwer, ein Kompromiss ist nur mit sehr viel Fantasie vorstellbar. Der Gesetzgeber steht vor einem Dilemma: Wie kann er den einen etwas erlauben, was in die Grundrechte der anderen eingreift? Deshalb tun alle Beteiligten gut daran, sich Zeit zu nehmen - und die schrillen Töne zu überhören. Der Vorwurf von Charlotte Knobloch, Juden könnten bald gezwungen sein, das Land zu verlassen, wenn sie ihren Glauben uneingeschränkt leben wollten, lässt das nötige Augenmaß jedenfalls vermissen. Gefragt ist nichts weniger als die Lösung eines Problems, das vorher eigentlich keins war. Doch die Rückkehr zum alten Prozedere - man macht es, und niemand sagt etwas - ist nach dem Kölner Urteil und der folgenden Debatte unmöglich. Die Beamten sollten sich beim Gesetzentwurf viel Mühe geben: Nicht, dass am Ende wieder das Bundesverfassungsgericht ein Machtwort sprechen muss.

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