Boersen-Zeitung: Überhitzte Edelmetall-Preise, Kommentar von Martin Dunzendorfer zu den deutlichen Preissteigerungen bei Gold und Silber
Frankfurt (ots)
Anleger sollten mit einer gesunden Portion Skepsis an Investitionsobjekte herangehen, die fast einhellig aufgrund ihrer angeblich unzweifelhaft positiven Aussichten empfohlen werden. Dies gilt momentan für Gold und noch mehr für Silber. Zwar gestehen Analysten zu, dass die Edelmetalle nach der jüngsten Rally anfällig für eine Konsolidierung seien, doch gebe es keine Anzeichen für einen unmittelbar bevorstehenden Ausverkauf. Eine Korrektur nach einem so markanten Anstieg wie nun bei Gold und Silber zeichnet sich allerdings gerade dadurch aus, dass sie ohne Vorwarnung beginnt und scharf ist.
Bei Gold sollte das kurzfristige Chance-Risiko-Verhältnis wohl bedacht werden. Seriöse Marktbeobachter setzen Zielmarken bei 600Dollar pro Feinunze. Am Spotmarkt ist der Preis bereits auf 589Dollar geklettert - der höchste Stand seit gut 25 Jahren. Damals hatte der Kalte Krieg infolge des Einmarsches sowjetischer Truppen in Afghanistan einen Höhepunkt erreicht, der Investoren in "sichere Häfen" trieb. Auch heute gilt Gold wieder als sicherer Hafen - vor einer Dollar-Schwäche (in der Regel verhält sich der Goldpreis zum Greenback wie eine Währung), vor Inflation, geopolitischen Risiken (Iran) und fallenden Renditen am Aktien- und Anleihemarkt. Die Hauptursache für die jüngste Rally-Ende der Vorwoche lag der Goldpreis bei 545 Dollar, also 7% niedriger als jetzt - ist die Angst vor einer weiteren Abwertung der US-Währung, etwa wegen der erwarteten Entwicklung der Leitzinsen dies- und jenseits des Atlantiks.
Und Silber? Am Freitag kostete eine Unze in der Spitze 11,92 Dollar, so viel wie seit 1983 nicht mehr. Hintergrund des jüngsten Preissprungs ist ein vor der Einführung stehender börsennotierter Fonds. Barclays hat bei der US-Finanzmarktaufsicht die Genehmigung zur Auflage eines ETF beantragt, der an den Silberpreis gekoppelt ist. Stimmt die SEC zu, kommt es am Silbermarkt zu einem physischen Nachfrageschub. Ein Teilerfolg bei der SEC am 21.März führte binnen acht Handelstagen zu einem Anstieg um 11%. Eine solch starke Aufwärtsdynamik birgt die Gefahr einer entsprechend scharfen Korrektur. Die an den Terminmärkten aufgebauten sehr hohen Long-Positionen sollten Anlegern, die jetzt noch auf den fahrenden Zug aufspringen wollen, ebenso als Warnsignal dienen wie der 4%ige Rückgang im Handelsverlauf am Freitag.
(Börsen-Zeitung, 1.4.2006)
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