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Boersen-Zeitung: Koalition unter Reformdruck, Kommentar von Angela Wefers zum enger werdenden Zeitplan für die Reformvorhaben der Regierung

Frankfurt (ots)

Ausreden gelten ab sofort nicht mehr. Die
Landtagswahlen sind vorüber, und die große Koalition hat keinen Grund
mehr, Entscheidungen aufzuschieben. Gesundheitsreform, 
Unternehmenssteuerreform, Föderalismusreform und Ansätze zur 
Arbeitsmarktreform - das sind die größten Brocken, die die Koalition 
zu stemmen hat. Der Zeitplan dafür ist eng.
Die Gesundheitsreform muss noch in diesem Jahr beschlossen werden 
und 2007 in Kraft treten, wenn die Konsolidierungspläne im 
Bundeshaushalt nicht vereitelt werden sollen. Bundesfinanzminister 
Peer Steinbrück lässt den Zuschuss an die gesetzlichen Krankenkassen 
auslaufen, nachdem die geplante Refinanzierung über die erhöhte 
Tabaksteuer ein Flop war. Die Ausgaben für Gesundheit steigen; die 
Belastung der Lohnkosten wird größer. Auch das erhöht den Druck, zu 
handeln. Bis zum Sommer muss das Konzept der Koalition stehen, wenn 
das Gesetz rechtzeitig in Kraft treten soll. Die zweite Jahreshälfte 
wird für das parlamentarische Verfahren benötigt.
Bei der Unternehmenssteuerreform sieht es ähnlich eng aus. Zwar 
soll die Neuregelung erst 2008 in Kraft treten, doch ist sich der 
Bundesfinanzminister selbst bislang noch nicht über die Reform klar. 
Steinbrück wird keines der Modelle komplett übernehmen - Stiftung 
Marktwirtschaft hin oder Sachverständigenrat her. Das geht schon aus 
Prestigegründen nicht.
Zudem ist das Ministerium fast die einzige Institution, die die 
finanziellen Folgen einer Steuerreform seriös berechnen kann. Auch 
das wird Einfluss auf die Entscheidung nehmen, denn größere 
Steuerausfälle lehnt Steinbrück strikt ab. Bis Anfang Juni hat sich 
der Minister ein Schweigegelübde auferlegt. Bis dahin arbeiten die 
Beamten. Soll nicht nur eine rechtsformneutrale Besteuerung für 
Personen- und Kapitalgesellschaften gefunden werden, sondern auch die
Gewerbesteuer fallen, stehen schwierige und langwierige Verhandlungen
mit den Kommunen bevor.
Wie fragil die große Koalition trotz aller Hochstimmung der 
Anfangszeit ist, zeigt die koalitionsinterne Debatte über die 
Lockerung des Kündigungsschutzes. Kanzlerin Merkel und Vizekanzler 
Müntefering konnten die Entwicklung zu einem handfesten Streit gerade
noch durch Ansetzen der Daumenschrauben verhindern. Mit ihren 
Reformplänen hat die Koalition aber noch weitere Belastungsproben zu 
meistern.
(Börsen-Zeitung, 30.3.2006)

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