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Börsen-Zeitung: Diät für den Drachen, Börsenkommentar "Marktplatz" von Dieter Kuckelkorn

Frankfurt (ots)

Aktienanleger haben derzeit keine rechte Freude
an ihren Investments. In der beendeten Börsenwoche knickten die 
Märkte rund um den Globus ein. Der Dax gab im Vergleich zum Freitag 
der Vorwoche um 3,1% nach. Der amerikanische Benchmark-Index S&P500 
büßte ebenfalls rund 3% ein. Auch in den Emerging Markets sah es 
nicht besser aus: Der Shanghai Composite sackte um 3% ab, der 
indische BSE Sensex sogar um 4%.
Ein den Markt belastender Faktor sind sicherlich die neuen 
Obama-Pläne zur stärkeren Regulierung der US-Banken. Erstmals hat der
Präsident ernst zu nehmende Beschränkungen der Aktivitäten der 
Institute im Wertpapierhandel und im Investment Banking 
vorgeschlagen, was mit Blick auf die längst wieder vorherrschende 
Kasino-Mentalität überfällig ist. Dies hat nicht nur die Banktitel 
getroffen. Da die US-Institute mit umfangreichen spekulativen 
Engagements rund um den Globus unterwegs sind und auf den 
internationalen Finanzmärkten in großem Umfang Liquidität 
bereitstellen, würde ein solcher regulatorischer Rundumschlag in den 
Preisen von Aktien, Rohstoffen und noch anderen Assetklassen kräftige
Spuren hinterlassen.
Noch aber ist es nicht so weit: Ob Obamas Vorstellung jemals 
Gesetzeskraft erlangt, steht in den Sternen. Die republikanische 
Opposition hat Obama in ihren ersten Reaktionen bereits die Zähne 
gezeigt. Der Teufel steckt bei derart komplexen Gesetzesvorhaben 
zudem bekanntlich im Detail. Und außerdem ist es der US-Bankenlobby 
bislang noch immer gelungen, sinnvolle Regulierungsbemühungen stark 
zu verwässern. Es ist daher nicht zu erwarten, dass sich die 
Obama-Pläne in den nächsten Wochen als größeres Hindernis für die 
Märkte erweisen werden.
Von wesentlich größerer Bedeutung für die Märkte ist daher die 
Perspektive, dass sich die chinesische Volkswirtschaft überhitzen 
könnte. Ein Wirtschaftswachstum im vierten Quartal von 10,7% ist zwar
beeindruckend, aber eben auch besorgniserregend. Die Folge einer 
Überhitzung wäre eine aus dem Ruder laufende Inflation, die die 
Regierung und die Notenbank quasi zu einer Vollbremsung zwingen 
würde. Dies würde dann die Bubble auf den chinesischen Kapitalmärkten
unweigerlich zum Platzen bringen-was schwerwiegende Folgen für die 
gesamten Emerging Markets und auch die etablierten Märkte hätte.
Besser wäre es da, wenn der chinesische Drache bereits jetzt auf 
Diät gesetzt würde, bevor die Situation aus dem Ruder läuft. Wie es 
scheint, macht man sich in Peking dieselben Gedanken: Vor wenigen 
Tagen hat die People's Bank of China die Mindestreserveanforderungen 
für Geschäftsbanken verschärft und zusätzlich noch direkt auf die 
Institute eingewirkt, ihre Kreditvergabe einzuschränken. Das ist auch
bitter notwendig: Allein in der ersten Januarhälfte haben 
Kreditinstitute im Reich der Mitte die gigantische Summe von 
umgerechnet rund 160 Mrd. Dollar an Krediten neu ausgereicht. Und 
nach einem Bericht der South China Morning Post ist die Summe neu 
vergebener Hypotheken in der Stadt Shanghai 2009 gegenüber dem 
Vorjahr um unglaubliche 1600% gestiegen.
Eigentlich hätten also die Märkte positiv reagieren müssen, weil 
Pekings jetzt noch vergleichsweise sanfter Eingriff ja möglicherweise
eine später viel härtere Gangart vermeiden hilft. Die Sache hat 
allerdings einen Haken: China hat mit seinem beeindruckenden 
Wirtschaftswachstum im globalen Erholungsprozess quasi die 
Schwerarbeit geleistet. Eine Abbremsung wird aber die etablierten 
Märkte dann treffen, wenn das ohnehin nicht sehr robuste Wachstum in 
ihren Volkswirtschaften schon wieder nachlässt. Insbesondere das 
Erfordernis der Entschuldung der privaten und der öffentlichen 
Haushalte in den USA und in europäischen Ländern wird auf die 
Wachstumsraten drücken.
Angesichts der aktuell keineswegs niedrigen Bewertungen vieler 
Assetklassen ist dies eine unerfreuliche Perspektive. So mag denn 
auch der für seine pessimistischen Prognosen bekannte US-Ökonom 
Nouriel Roubini nicht ganz falsch liegen, wenn er spätestens für die 
zweite Jahreshälfte ein Ende der Rally an den Märkten voraussagt.
(Börsen-Zeitung, 23.1.2010)

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